Roter Engel
um und wollte der Ambulanz ins Springer folgen.
»Ma’am?« sagte der Cop. »Würden Sie bitte warten, bis jemand kommt, der mit Ihnen spricht …«
Toby ignorierte ihn und ging hinaus.
Als sie den Parkplatz des Springer Hospitals erreichte, stellte sie sich schon das Schlimmste vor. Eine Herzattacke. Ein Schlaganfall. Ellen im Koma und am Beatmungsgerät.
Eine Schwester von der Tagesschicht begrüßte sie am Counter: »Dr. Harper …«
»Wo ist meine Mutter? Eine Ambulanz hat sie hergebracht.«
»Sie ist in Raum zwei. Wir stabilisieren sie gerade. Warten Sie, gehen Sie jetzt nicht …«
Aber Toby war schon auf dem Weg.
Von Ellen war wenig zu sehen. Zu viele Leute, Ärzte und Schwestern standen um sie herum. Paul Hawkins hatte gerade einen Tubus gelegt. Eine Schwester hängte eine Flasche für die I.v.-Versorgung an das Gestell. Eine andere bereitete die Ampullen für die Blutabnahme vor.
»Was ist passiert?« fragte Toby.
Paul sah hoch. »Toby, könntest du bitte draußen warten?«
»
Was ist passiert?
«
»Sie hat einfach aufgehört zu atmen. Wir haben es mit einer ernsten Bradykardie zu tun, aber der Puls kommt wieder …«
»Ein Myokardinfarkt?«
»Kann man im EKG nicht erkennen. Wir warten immer noch auf die Laborwerte.«
»O mein Gott. O mein Gott …« Toby drängte sich nach vorn durch zur Rollbahre und faßte die Hand ihrer Mutter. »Mom, ich bin’s.«
Ellen hielt die Augen geschlossen, aber ihre Hand bewegte sich, als wolle sie an etwas ziehen.
»Mom, es wird alles gut. Sie kümmern sich um dich.«
Jetzt bewegte Ellen die andere Hand und klopfte auf die Unterlage, auf der sie lag. Eine Schwester griff schnell nach dem Gelenk und legte einen Haltegurt darum. Der Anblick dieser zarten Hand, die sich gegen die Fesselung wehrte, war zuviel für Toby.
»Muß er denn so eng sitzen?« rief sie. »Sie bekommt ja schon blaue Flecken …«
»Sonst rutscht uns die I.v.-Kanüle heraus.«
»Aber so klemmen Sie ihr die Blutzirkulation ab!«
»Toby«, sagte Paul, »ich möchte, daß du draußen wartest. Wir haben hier alles im Griff.«
»Mom kennt keinen von euch …«
»Du behinderst uns bei der Arbeit. Du sollst jetzt
gehen.
«
Toby trat einen Schritt von der Bahre zurück und merkte, daß alle sie ansahen. Ihr war klar, daß Paul recht hatte. Sie stand ihnen im Weg und erschwerte ihnen die notwendigen Entscheidungen. Wenn sie die verantwortliche Ärztin in einem Notfall war, würde sie nie einem Angehörigen des Patienten erlauben, im Raum zu bleiben. Und das durfte Paul auch nicht.
»Ich bin schon weg«, sagte sie leise und ging hinaus. Im Gang wartete ein Mann auf sie. Anfang Vierzig. Strenges Gesicht, ohne ein Lächeln. Haarschnitt nach Art einer Mönchstonsur. »Dr. Harper?« sagte er.
»Ja.«
Die Art, wie er auf sie zukam und von oben bis unten taxierte, sagte ihr, er war ein Cop. Und er bestätigte es, indem er ihr seine Hundemarke zeigte. »Detective Alpren. Darf ich Ihnen zu Ihrer Mutter ein paar Fragen stellen?«
»Da möchte ich erst einmal
Ihnen
ein paar Fragen stellen. Wieso war ein Cop in meinem Haus? Wer hat die Polizei gerufen?«
»Ms. Nolan.«
»Warum hätte sie in einem medizinischen Notfall die Polizei rufen sollen?«
Detective Alpren zeigte auf ein leeres Untersuchungs-zimmer. »Gehen wir da hinein«, sagte er.
Irritiert folgte sie ihm in das Zimmer. Er machte die Tür hinter ihr zu.
»Wie lange ist Ihre Mutter schon krank?« fragte er.
»Sie meinen den Alzheimer?«
»Ich meine ihren derzeitigen Zustand. Den Grund, warum sie jetzt hier ist.«
Toby schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht einmal, was sie hat …«
»Leidet sie an einer chronischen Erkrankung außer der Alzheimerschen?«
»Warum fragen Sie mich das?«
»Wie ich hörte, war Ihre Mutter die letzte Woche krank. Sie war apathisch und schwindlig.«
»Sie wirkte ein bißchen müde. Ich nahm an, die Ursache wäre ein Virus. Irgendein gastrointestinaler Reizzustand.«
»Ein Virus, Dr. Harper? An ein Virus denkt Ms. Nolan nicht.«
Sie starrte ihn an und verstand überhaupt nichts mehr. »Was hat Jane Ihnen denn erzählt? Sie sagten, sie hat Sie angerufen …?«
»Ja.«
»Ich möchte mit ihr reden. Wo ist sie?«
Er ging auf ihre Frage nicht ein. »Ms. Nolan hat gewisse Verletzungen erwähnt. Sie sagte, Ihre Mutter habe sich über Verbrennungen an ihren Händen beklagt.«
»Die sind schon seit Wochen verheilt. Ich habe Jane erzählt, was passiert war.«
»Und die blauen Flecke an ihren Schenkeln?
Weitere Kostenlose Bücher