Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
und überflog die Gesichter.
    »Da«, sagte sie und zeigte auf eine Frau in weißer Schwesterntracht. »Das ist Jane.«
    Toby sah sich das lächelnde Gesicht genau an. Die Frau stand ganz am linken Rand der Gruppe, ihr rundliches Gesicht strahlte, und in ihrer Tracht war sie eine reichlich korpulente Erscheinung.
    Toby schüttelte den Kopf. »Das ist sie nicht.«
    »Aber ja, ich versichere es Ihnen«, sagte Doris. »Das können auch unsere Patienten bestätigen. Ganz bestimmt ist das Jane Nolan.«
    »Wir haben das Mädchen oben im North End aufgegabelt«, sagte der Streifenpolizist. »Zeugen haben einen Burschen gesehen, der sie abschleppen wollte. Er versuchte, sie in einen Wagen zu zerren. Sie schrie sich die Seele aus dem Leib, und die Zeugen kamen ihr zu Hilfe. Wir waren dann die ersten Beamten vor Ort. Das Mädchen hockte mit aufgeplatzter Lippe und einem blauen Auge auf dem Bordstein. Sie sagte, sie heiße Molly Picker.«
    »Wer war der Kerl, der auf sie eingeschlagen hat?« fragte Dvorak.
    »Ich nehme an, ihr Zuhälter. Sie sagt es uns nicht. Und der Kerl ist auf und davon.«
    »Wo ist das Mädchen jetzt?«
    »Sitzt in unserem Wagen. Wollte gar nicht rein zu uns. Will mit keinem reden. Sie will nur wieder raus auf die Straße.«
    »Damit ihr Zuhälter sie wieder aufmischt?«
    »Also, die Weisheit hat sie nicht gerade mit dem Löffel gegessen.«
    Dvorak ging seufzend mit dem Polizisten nach draußen. Große Hoffnungen machte er sich nicht, was ihr Gespräch anging. Ein widerspenstiger Teenager, nicht gerade die Schlaueste, das war wohl kaum eine sprudelnde Quelle für die erwartete Krankengeschichte. Das Mädchen war nicht festgenommen. Es konnte jederzeit weggehen, aber wahrscheinlich wußte sie das nicht.
    Sicher würde er sie auch nicht extra darauf hinweisen, bevor er sie nicht ein wenig ausgequetscht hatte. Was immer sie wissen mochte.
    Der Streifenpolizist zeigte auf den Wagen, in dem sein Partner am Steuer wartete. Auf dem Rücksitz saß ein Mädchen mit strähnigen braunen Haaren und geplatzter Lippe. Sie war in einen weiten Regenmantel gehüllt und hielt eine billige Handtasche aus Kunstleder auf dem Schoß.
    Der Cop öffnete die hintere Tür. »Steigen Sie doch aus, Miss. Das hier ist Dr. Dvorak. Er möchte mit Ihnen sprechen.«
    »Brauche keinen Doktor.«
    »Er ist von der Rechtsmedizin.«
    »Brauche keine Untersuchung.«
    Dvorak beugte sich vor und lächelte das Mädchen an. »Hi, Molly. Gehen wir doch hinein und unterhalten uns. Es ist kalt hier draußen, findest du nicht auch?«
    »Wäre es nicht, wenn Sie die Tür zumachten.«
    »Ich habe den ganzen Tag Zeit. Wir können jetzt miteinander reden oder um Mitternacht. Das liegt ganz an dir.« Er sah sie an und wartete, wie lange es wohl dauern würde, bis sie es leid war, so angestarrt zu werden. Drei Männer starrten sie jetzt an, die beiden Cops und Dvorak, und keiner sagte ein Wort.
    Molly holte tief Luft und ließ sie wieder mit einem deprimierten Schnaufen entweichen. »Gibt es bei Ihnen ein Klo?« fragte sie.
    »Natürlich.«
    »Es ist echt dringend.«
    Dvorak trat zur Seite. »Ich zeige dir den Weg.«
    Sie kletterte aus dem Streifenwagen und zog den übergroßen Regenmantel wie ein riesiges Cape hinter sich her. Nur als sie sich aufrichtete, sah Dvorak plötzlich den Bauch des Mädchens. Es war schwanger. Wenigstens im sechsten Monat, schätzte er.
    Das Mädchen merkte, wohin sein Blick fiel. »Ja, mir hat einer ein Kind gemacht«, schnappte sie. »Und?«
    »Ich glaube, wir bringen dich erst einmal hinein. Schwangere brauchen einen Platz zum Sitzen.«
    Mit einem Blick à la
Das ist wohl ein Scherz, oder?
ging sie in das Gebäude.
    »Nettes Mädchen«, grummelte der eine Cop. »Wollen Sie, daß wir warten?«
    »Sie können weiterfahren. Ich setze sie einfach in ein Taxi, wenn wir fertig sind.«
    Das Mädchen wartete gleich hinter der Tür auf Dvorak.
    »Wo ist also das Bad?« wollte sie wissen.
    »Oben, gleich neben meinem Büro.«
    »Na gut, machen Sie schon. Ich muß dringend.«
    Im Aufzug sagte sie kein Wort. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu schließen, war sie ganz auf ihre Blase kon-zentriert. Er wartete auf sie draußen vor der Personal-toilette. Sie ließ sich Zeit und kam erst nach zehn Minuten wieder zum Vorschein. Sie roch nach Seife, hatte sich das Gesicht gewaschen, und die geschwollene Lippe hob sich auffällig und violettrot von ihrem blassen Gesicht ab.
    Er führte sie in sein Büro und schloß die Tür hinter sich. »Setz dich,

Weitere Kostenlose Bücher