Roter Engel
Augen.
»Sie ist noch immer weg vom Fenster«, sagte er. »Einfach hinein mit der I.v.-Kanüle.«
Zwei andere Hände packten ihren Arm und drückten ihn gegen die Matratze. Molly versuchte, sich loszureißen, aber die Hände preßten sie um so fester nieder, quetschten ihr die Haut.
Wieder stach die Nadel zu. Molly kreischte auf.
»Okay, geschafft! Infundieren. Kommt schon, kommt schon.«
»Dosierung?«
»Fünf Milligramm Hydralazin. Dazu etwas Magnesiumsulfat. Und Blutproben abnehmen.«
»Doc, gerade kommt eine Angina rein.«
»Nun laßt mich doch mal, verdammt, in Ruhe.«
Wieder ein Stich, wieder ein Schmerz. Molly bäumte sich noch einmal auf. Etwas fiel auf den Boden und zerschellte.
»Herrgott noch mal, sie will einfach nicht still liegen!«
»Können wir sie nicht sedieren?«
»Nein, wir brauchen sie bei Bewußtsein. Redet ihr gut zu.«
»Schon versucht.«
»Holt mir diese Frau her. Die, die sie hergebracht hat. Vielleicht kann die sie beruhigen.«
Molly riß an den Gurten. Der Kopf tat ihr weh, und jedes laute Geräusch hämmerte in ihr Hirn. Das Schnellfeuer der Stimmen, die zuknallenden Metallschubladen.
Weg mit euch. Weg, weg.
Dann rief eine Stimme sie beim Namen, und eine Hand legte sich sanft auf ihr Haar.
»Molly, ich bin’s. Dr. Harper. Es ist alles gut. Alles ist gut.«
Molly sah der Frau ins Gesicht. Es kam ihr bekannt vor, obwohl sie nicht wußte, woher. Sie wußte nur eines: Es hatte nichts mit Schmerz zu tun. Dieser ruhige Blick versprach ihr Sicherheit.
»Du mußt ganz still liegen, Molly. Ich weiß, sie tun weh, all diese Nadeln. Aber sie helfen dir auch.«
»Es tut mir leid«, flüsterte Molly.
»Was tut dir leid?«
»Alles, was ich Schlimmes angestellt habe. Ich weiß es nicht mehr.«
Die Frau lächelte. »Du hast nichts Schlimmes angestellt. Und jetzt kommt wieder ein Stich, okay? Nur ein kleiner.«
Molly schloß die Augen und unterdrückte ein Wimmern, als die Nadel in ihren Arm drang.
»Na also. Bist ein gutes Mädchen. Das war’s. Keine Nadeln mehr.«
»Versprochen?«
Toby zögerte. »Versprechen kann ich das nicht. Aber von jetzt an wird dich keiner mehr ohne Vorwarnung stechen, okay? Das sage ich ihnen.«
Molly faßte nach Tobys Hand. »Gehen Sie nicht weg …«
»Es wird alles gut. Diese Leute hier sorgen gut für dich.«
»Aber
die
kenne ich nicht.« Sie sah die Frau direkt an, und sie nickte schließlich.
»Ich bleibe, solange ich kann.«
Molly hörte eine andere Stimme. Die Frau drehte sich um, hörte zu, wandte sich dann wieder an Molly.
»Wir müssen alles über deinen Gesundheitszustand wissen. Hast du einen Arzt?«
»Nein.«
»Nimmst du irgendwelche Medikamente?«
»Nein. O doch. Ja. Die Pillen sind in meiner Handtasche.«
Molly hörte, wie die Frau den Verschluß aufschnappen ließ und die Pillen in einer Flasche klapperten. »Die hier, Molly?«
»Ja. Davon nehme ich eine, wenn mein Magen rebelliert.«
»Die Flasche hat kein Etikett von einer Apotheke. Woher hast du sie?«
»Von Romy. Einem Freund. Er hat mir die Pillen besorgt.«
»Okay. Wie sieht es mit Allergien aus? Bist du auf irgend etwas allergisch.«
»Auf Erdbeeren.« Molly seufzte. »Und dabei mag ich Erdbeeren so gerne …«
Eine andere Stimme mischte sich ein. »Dr. Harper, der Assistent mit dem Ultraschall ist da.«
Molly hörte, wie das Gerät in den Raum gerollt wurde. Ihr Kopf fuhr zur Seite. »Was machen die da? Werde ich wieder gestochen?«
»Das tut nicht weh. Es ist nur eine Ultraschallunter-suchung, Molly. Sie wollen sich dein Baby ansehen. Das geht mit Schallwellen.«
»Ich will das nicht. Ich möchte einfach in Ruhe gelassen werden.«
»Es tut mir leid, aber das muß sein. Nachsehen, ob es deinem Baby gutgeht. Wie groß es ist und wie es sich entwickelt. Du hattest heute in Dr. Dvoraks Büro einen Anfall. Du weißt, was ein Anfall ist?«
»Wie ein Koller.«
»Richtig. Du hattest einen Koller. Du warst ohne Besinnung, und dein Körper hat hin und her gezuckt. Das ist etwas sehr Gefährliches. Du mußt hier im Krankenhaus bleiben, damit sie deinen Blutdruck unter Kontrolle bekommen. Und zusehen, daß sie dein Baby retten.«
»Stimmt etwas nicht mit ihm?«
»Daß du schwanger bist, ist der Grund für deinen Anfall und für deinen hohen Blutdruck.«
»Ich will keine Untersuchungen mehr. Sagen Sie ihnen, ich will raus …«
»Hör zu, Molly.« Dr. Harper sagte es ruhig, aber bestimmt. »Dein Zustand kann lebensbedrohend sein.«
Molly schwieg. Sie sah die
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