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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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etwas
anderes
nicht.
    Beim Aufwachen aus dem Mittagsschlaf hatte er es gemerkt.
    Die Fenster waren verdunkelt gewesen, und er hatte die Lampe angeknipst und sich im Schlafzimmer umgesehen. Alle Möbel schienen verrückt und zu kippen. Wann war das passiert? Hatte er sie etwa heute verschoben? Er konnte sich nicht erinnern.
    Aber da war der Nachttisch. Er stand außer Reichweite und so weit zur Seite gekippt, daß er umzufallen drohte. Er starrte hin und versuchte herauszubekommen, warum es nicht passierte und warum das Wasserglas nicht von der Platte rutschte.
    Er drehte sich um zum Fenster. Auch das war nicht mehr an der alten Stelle, sondern befand sich in weiter Entfernung, ein zurückweichendes Rechteck am Ende eines langen Tunnels.
    Er stieg aus dem Bett und taumelte.
War das ein Erdbeben?
Der Boden schien sich rollend zu bewegen, wie Wellen im Meer. Er stolperte in die eine Richtung und in die andere, hielt sich schließlich am Schrank fest, klammerte sich daran, wollte die Balance wiedergewinnen. Etwas tropfte auf seinen Fuß. Er sah nach unten. Der Teppich war naß, und er roch den warmen, zugleich salzigen und säuerlichen Geruch von Urin. Wer, zum Teufel, hatte da in sein Schlafzimmer gepinkelt? Er hörte Glocken läuten. Die Töne schienen durch den Raum zu driften wie kleine schwarze Ballons. Kirchenglocken? Eine Uhr? Nein, jemand klingelte an der Tür.
    Er stakste aus dem Schlafzimmer, hielt sich an den Wänden und Türstöcken, an allem, was Halt bot. Der Flur schien immer länger zu werden, die Tür vor seiner ausgestreckten Hand zurückzugleiten. Dann bekam er plötzlich den Türknopf zu fassen.
    Mit einem triumphierenden Brummen riß er die Tür auf. Überrascht sah er die beiden Zwerge auf den Eingangsstufen.
    »Macht, daß ihr wegkommt«, sagte er. Die Zwerge sahen ihn an und miauten.
    Angus wollte die Tür zuwerfen, aber sie gehorchte nicht. Eine Frau war dazwischengetreten und hielt sie auf.
    »Was machst du da, Dad? Warum bist du nicht angezogen?«
    »Geh weg. Verlaß mein Haus.«
    Die Frau drängte jetzt herein.
    »Geh raus!« sagte Angus. »Laß mich allein!« Er drehte sich um und stolperte durch den Flur zurück, floh vor der Frau und den beiden Zwergen. Doch sie verfolgten ihn. Die Zwerge wimmerten, die Frau schrie: »Was ist los? Was ist los mit dir?«
    Er strauchelte auf dem Teppich. Was dann folgte, war eher angenehm, wie ein langsamer Tanz unter Wasser. Sein Körper flog nach vorn, glitt durch die Luft. Die Arme waren ausgestreckt, als wären sie Flügel, die ihn durch diese flüssige Luft trugen.
    Nicht einmal den Aufschlag spürte er.
    »Dad! O mein Gott.«
    Diese verdammten Zwerge kreischten und patschten gegen seinen Kopf. Jetzt beugte sich die Frau über ihn und drehte ihn auf den Rücken.
    »Dad, hast du dir weh getan?«
    »Ich kann fliegen«, flüsterte er.
    Sie sah die Zwerge an. »Zum Telefon. Ruft die Neun-neun-eins an.
Schnell!
«
    Angus bewegte den Arm und schwenkte ihn wie einen Flügel.
    »Ganz ruhig, Dad. Wir rufen eine Ambulanz.«
    Ich kann fliegen!
Er schwebte.
Ich kann fliegen!
    »So etwas habe ich noch nie erlebt. Er erkennt mich nicht, er kennt scheinbar nicht einmal seine Enkelkinder. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Deswegen habe ich die Ambulanz gerufen.« Die Frau warf einen ängstlichen Blick in das Untersuchungszimmer, wo die Schwestern gerade Angus Parmenters Vitalwerte feststellten. »Es ist ein Schlaganfall, nicht?«
    »Das kann ich Ihnen erst sagen, wenn ich ihn untersucht habe«, sagte Toby.
    »Aber sieht es denn nicht aus wie ein Schlaganfall?«
    »Schon möglich.« Toby drückte der Frau den Arm. »Nehmen Sie doch Platz im Wartezimmer, Mrs. Lacy. Sobald ich mehr weiß, komme ich zu Ihnen und sage Ihnen Bescheid.«
    Edith Lacy nickte. Sie schlang die Arme um die Brust, ging in den Warteraum und sank zu ihren beiden Töchtern auf die Couch. Alle drei umarmten einander und bargen sich wie in einem warmen Nest.
    Toby drehte sich um und machte sich an die Untersuchung.
    Angus Parmenter war mit Armen und Beinen fixiert und brabbelte etwas von Fremden in seinem Haus. Für einen achtzigjährigen Mann waren seine Glieder erstaunlich fest und muskulös.
    Er war nur mit einem Unterhemd bekleidet. So hatte seine Tochter ihn gefunden, von der Taille abwärts nackt.
    Maudeen löste die Manschette des Blutdruckmeßgeräts von seinem Arm und legte es ordentlich in den Instrumentenkorb.
    »Die Werte sind in Ordnung. Hundertdreißig zu siebzig. Puls vierundneunzig,

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