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Roter Herbst - Kriminalroman

Roter Herbst - Kriminalroman

Titel: Roter Herbst - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hatte auch er so manches Mal ihre weichen Rundungen unter der rauen BW-Decke gespürt und gekostet, war eingedrungen in ein verlockendes Trugbild, verzweifelt bemüht, verräterische Flecken auf dem Bettlaken zu vermeiden.
    »Niemand wusste so recht, woher sie kam. Irgendwann war sie einfach da. Das war noch vor deiner Zeit …«
    Bichlmaier nickte.
    »Was wohl aus ihr geworden ist? Wahrscheinlich ist sie dick und fett geworden und hat fünf oder sechs Bälger, die längst erwachsen sind.«
    »Sie verschwand eines Tages.«
    »Wie meinst du das? Verschwand?«
    »Na, sie war einfach weg. Hat sich gleichsam in Luft aufgelöst.«
    Bichlmaier blickte ihn erstaunt an. »Vielleicht ist sie nach Russland zurück? Das war doch damals kein Problem. In den Osten konnte jeder, dem danach war.«
    »Als sie verschwand, hat sie nichts von ihren Sachen mitgenommen. Selbst ihre Schlüssel steckten noch. Das war ziemlich eigenartig. Die Leute haben sich gewundert und Fragen gestellt. Es gab Gerüchte, dass sie im Moor umgekommen ist. Sie war einfach weg. Natürlich wurde nach ihr gesucht, aber sie blieb verschollen, wie vom Erdboden verschwunden.«
    »Wann war das?«
    »Bald, nachdem du weg warst, kurz bevor … Na, du weißt schon.«
    »Und sie ist nie mehr aufgetaucht?«
    »Nein. Einige von den Unteroffiziersdienstgraden haben behauptet, dass sie eine Spionin der Russen gewesen sei. Na ja, damals waren alle ein bisschen hysterisch. Aber es wurde auch über geheimnisvolle Freunde und Besucher getuschelt, die immer nur in der Dunkelheit kamen.«
    »Vielleicht ist sie ja tatsächlich im Moor verschwunden? Ein Unfall. Oder jemand hat sie dort entsorgt, in einem der unzähligen Tümpel versenkt? Irgendein Geheimdienst vielleicht? Der KGB wahrscheinlich …« Bichlmaier lächelte, doch Rune reagierte nicht auf die Ironie in seinen Worten.
    »Das wurde nie geklärt. Eine traurige Geschichte. Aber es gibt sicher noch Ermittlungsunterlagen von damals. Wenn es dich interessiert … Du bist doch Polizist.«
    »Mal sehen. Es ist ja schon so lange her. Die Zeit damals …«
    »Was meinst du?
    »Na ja, es ist einfach alles so weit weg, der Bund, Swetlana, die blöde Hysterie wegen der Russen, Vietnam und die Studentenproteste, die ganze Aufgeregtheit. NATO-Alarm und EPas und der ganze Scheiß … Schnee von gestern! Und die kleine Swetlana ist wahrscheinlich in einem billigen Puff in Frankfurt gelandet, hat angeschafft, bis ihr Arsch dick und fett war und die Freier nichts mehr von ihr wissen wollten.«
    Rune nickte. »Wahrscheinlich hast du recht.« Er lächelte und tätschelte Sandor, der unruhig an der Leine zerrte. »Er ist es nicht gewöhnt, still zu sitzen. Vielleicht sollten wir ein Stück gehen. Ich möchte dir etwas zeigen.«
    Als sie durch das Kasernentor schritten, hatte Bichlmaier das Gefühl, wieder der junge Fähnrich zu sein, der er vor so vielen Jahren gewesen war.
    Die Sonne stand bereits tief und flimmerte, tauchte die tristen Gebäude in ein wärmendes Licht. Rune und sein Hund eilten voraus, hatten schon bald zehn, zwanzig Meter Vorsprung, weil Sandor so stark an der Leine zog und Rune ihn gewähren ließ. Bichlmaier wollte aufholen und konnte nicht. Er stapfte durch Laub und hatte dabei das Gefühl, am Beton unter dem Laub festzukleben.
    »Das Gelände ist riesengroß«, sagte Rune. »Und niemand, der es nutzt. Verdammt schade.«
    Bichlmaier keuchte heran. »Was willst du mir denn überhaupt zeigen?«, fragte er.
    »Komm nur. Dort vorn ist einer der alten Wachtürme, die noch recht gut erhalten sind. Man hat von dort oben einen fantastischen Blick über das Moor und die Wälder. Da ist alles unverändert. So wie damals …«
    Sie brauchten fast zehn Minuten, um ans Ende des Areals zu gelangen. Rune zeigte auf einen gemauerten Turm, der in die Mauer um die Kaserne eingelassen war. Wie eine alte römische Wehranlage, dachte Bichlmaier. Architektonisch hat sich in den letzten zwei Jahrtausenden nicht viel geändert. Dieselbe triste Traurigkeit, die über allem liegt. Nur größer schienen ihm die modernen Kasernen. Und natürlich hatte es damals auch keinen Stacheldraht gegeben. Zumindest vermutete er das.
    »Bist du oft hier?«
    Rune nickte. Er band Sandor an einem Pfosten vor der Eingangstür fest und bedeutete Bichlmaier, ihm in den Wehrturm zu folgen. Die Tür war unverschlossen, und Bichlmaier verspürte leichten Widerwillen, als er hinter Rune in den düsteren Raum trat. Dieses Unbehagen wuchs, als plötzlich

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