Roter Herbst - Kriminalroman
in die Wunde gelegt, als er die Presse indirekt nach ihren Quellen gefragt hatte. Da waren zu viele vertrauliche Informationen durchgesickert, was schon den Verdacht nährte, dass hier jemand hinter den Kulissen versuchte, die Ermittlungen zu beeinflussen. Doch wer konnte das sein? Wer hatte ein Interesse daran, dem Fall eine politische Wendung zu geben? Für ihre Leute würde sie die Hand ins Feuer legen und auch dem Kollegen aus Regensburg traute sie Manipulationen dieser Art nicht zu. Blieb nur Percy Johnson, der ihr vom Innenministerium in seltsamer Weise aufs Auge gedrückt worden war. Welche Rolle spielte er? Wieder ging ihr der Kinderreim vom schwarzen Mann durch den Kopf, als sich Dr. Lutz neben ihr, unter dem Protest der Anwesenden, erhob und die Pressekonferenz im Gymnasium von M. sichtlich angefressen für beendet erklärte.
»Was glauben Sie denn, wer Sie sind?«, rief er mit mühsam unterdrückter Wut. »Meinen Sie, dass wir Ihr Gekritzel auch nur einen Moment ernst nehmen? Sie denken doch, dass Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen haben, nur weil Ihre Räuberpistolen in irgendwelchen Blättern stehen!«
Zur allgemeinen Verwunderung packte er seine Papiere tatsächlich zusammen und ging, wobei er den vielen Fragen, die danach von allen Seiten auf ihn einprasselten, den Rücken kehrte. Amanda warf einen Blick auf den Oberstaatsanwalt, der während der gesamten Konferenz geschwiegen hatte. Als dieser ihren Blick auf sich ruhen fühlte, zwinkerte er ihr gut gelaunt zu. Da erhob sich auch Amanda.
Der Tag war noch nicht vorbei.
»Was um Himmels willen hatte das zu bedeuten?«, fragte Bichlmaier. Er fühlte sich leicht angeschlagen und seit langer Zeit hatte er wieder Kopfschmerzen. Vielleicht würde ihm der starke Kaffee helfen, den ihm Amanda in ihrer eigenen Maschine zubereitet hatte. Sie saßen in ihrem Büro und ließen die soeben beendete Pressekonferenz Revue passieren.
»Irgendjemand hat die Presse geimpft«, meinte Amanda.
»Ja«, sagte Bichlmaier. »Das war offensichtlich. Hast du einen Verdacht?«
»Kann schon sein.«
»Percy?«
Amanda nickte. »Wer sonst?«
»Was weißt du über ihn?«
»So gut wie nichts. Er wurde uns auf Empfehlung des Ministers zugewiesen, mit der Aufforderung, ihn an unseren Ermittlungen teilnehmen zu lassen. Vielleicht eine Art Aufpasser.«
Bichlmaier überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass er ihn von früher kannte, entschied sich aber dagegen. Die alte Geschichte ging nur ihn und Romy etwas an und hatte mit dem Fall nichts zu tun.
»So sieht es aus. Aber was steckt dahinter?«
Amanda seufzte. »Eines ist sicher. Unser Fall hat eine politische Dimension …«
»Schließt das ein persönliches Motiv aus?
»Das war von Anfang an die Frage, nicht wahr. Da ist die Verbindung mit Marlies und ihrer Familie, aber da gibt es auch eine Reihe von Hinweisen, dass unsere Moorleiche mehr als ein unbeschriebenes Blatt ist … Ich bin sicher, wenn wir wüssten, wer sich hinter unserem Aaron Rosenberg verbirgt, dann hätten wir auch das Motiv für die beiden Morde.«
»Wir wissen immer noch zu wenig, was damals passiert ist, als Marlies das Weite gesucht hat. Etwas Entscheidendes muss in dieser Zeit geschehen sein. Und ich denke, dass Magnus Berger der Schlüssel ist. Wenn jemand eine Ahnung hat, was das Leben seiner Tochter so nachhaltig verändert hat, dann er.«
Amanda nickte. Sie beobachtete Bichlmaier, der mit seinem Zeigefinger einen Kreis auf der Tischplatte zog. Dann noch einen. Einen nach dem anderen. Was wohl in seinem Kopf vor sich ging, dachte sie. Sie war sich ziemlich sicher, dass er mehr von der vergangenen Zeit wusste, als er offenbarte. Warum sprach er nicht davon? Und doch hatte der Kollege etwas an sich, was es ihr schwer machte, ihm zu misstrauen.
Eine Weile schwiegen sie.
»Du hast gesagt, es gibt keine Rechten hier in der Gegend …«
Amanda hob den Arm, unterbrach ihn. »Das stimmt so nicht. Es ist nur, es liegt nichts Konkretes vor. Aber natürlich gibt’s solche Typen auch bei uns. Keine Frage. Gerade unter den jungen Leuten. Zwickau ist gar nicht so weit weg, wie man denkt …«
»Und Magnus Berger. Wie passt er ins Bild?«
Amanda zögerte einen Moment. Sie dachte an den Mann, den sie aus ihrer Kindheit kannte. Er war ein Teil der Welt gewesen, zu der auch ihr Vater und die meisten Männer seines Alters gehört hatten.
»Der Berger ist halt alt geworden«, sagte sie dann, ohne direkt auf Bichlmaiers Frage einzugehen.
22
Im Herd
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