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Roter Herbst - Kriminalroman

Roter Herbst - Kriminalroman

Titel: Roter Herbst - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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geheizt. Die Decke hing niedrig und ließ bei aller Größe des Raums den Eindruck von Beengtheit entstehen.
    Der alte Mann, der an einem der winzigen Fenster vor sich hindöste, saß in einem hochmodernen Rollstuhl mit Elektroantrieb.
    »Schuhe ausziehen!«, schnarrte er mit heiserer Greisenstimme, als sie eintraten, wobei er sich gleichzeitig mit seinem Gefährt vom Fenster wegdrehte und zum Tisch mit einer wuchtigen Eckbank rollte.
    »Dort drüben könnt ihr euch Pantoffel nehmen.« Er zeigte mit dem Kinn auf eine Reihe von Filzpantoffeln, die neben dem Kachelofen aufgereiht standen.
    Bichlmaier und Amanda folgten den Anweisungen und setzten sich an den Tisch.
    Sie hatten sich nicht angemeldet. Trotzdem schien der alte Mann nicht überrascht von ihrem Besuch. Bichlmaier hatte fast den Eindruck, als habe er sie erwartet.
    »Also du bist die Amanda«, sagte er, als sie ihren Platz gefunden hatten. »Kann mich noch gut an dich erinnern. Warst ein braves Mädchen.«
    Amanda nickte. Sie fühlte sich gerade wie das kleine Schulmädchen mit den Zöpfen, das sie vor vielen Jahren gewesen war, das vor dem Hausmeister einen Heiden­respekt gehabt hatte.
    »Und der da? Romy hat mir ja gesagt, dass er kommen wird.«
    Mietzner deutete auf Bichlmaier. »Ist das dein Freund?«
    »Das ist mein Kollege. Wir sind dienstlich hier.«
    »So, so. Dienstlich … Was wollt ihr denn wissen?«
    »Wir sind hier wegen Marlies Berger. Kannst dich sicher noch erinnern …«
    Mietzner kratzte sich am Kinn. Es klang wie Schmirgelpapier, das über raues Holz gezogen wurde. Amanda sah seine Hände und die von der Gicht verformten Finger.
    »Ja, ja, die Marlies. Das war eine ganz Hübsche, die Marlies. Ist aber schon lang her …«
    »Und jetzt ist sie tot. Ihre Beerdigung war vor gut einer Woche.«
    »Ich weiß schon. Stand ja alles in der Zeitung. Ich wär auch gern zu ihrer Beerdigung gekommen, aber in meinem Alter scheut man die Friedhöfe.«
    Bichlmaier betrachtete das gerahmte Foto auf der Kommode neben dem Küchentisch. Eine ältere Frau mit dünnem Silberhaar schaute ernst in die Kamera, so als wüsste sie, dass dieser Ausdruck alles sein würde, was von ihr bliebe.
    »Meine Rosa«, sagte Mietzner, der Bichlmaiers Blick gefolgt war. »Im September waren es 20 Jahre, dass sie auf und davon ist.« Als ihn Bichlmaier verwundert ansah, deutete er mit dem Daumen nach oben. »Warum interessiert ihr euch überhaupt für die Marlies? Hat sie denn was ausgefressen, bevor sie …?«
    »Nein«, sagte Bichlmaier. »Es ist nur … Jemand ist umgebracht worden, den die Marlies damals gekannt hat, der Papa von ihrem Jungen, dem Martin.«
    »So, so. Der Papa vom Martin … Damals, sagst du?«
    »Ende der 60er und Anfang der 70er.«
    Mietzner ließ sich Zeit, ehe er den Faden aufnahm. Er schien ein bisschen zu lächeln, aber das war nicht so genau zu erkennen. »Ist viel passiert damals. Kann mich noch gut erinnern. Eine wilde Zeit. Lauter Hippies und Krawallmacher gab’s da. Plötzlich waren überall Langhaarige in der Stadt, und alle haben diese unappetitlichen Parker getragen. Das Ganze hat den Leuten nicht gefallen. Auch viele von meinen Schülern waren mit einem Mal aufsässig. Und das Zeug, das die in den Klos geraucht haben … Lauter Dreck. Na ja, einer von diesen Gammlern ist ja später sogar noch Minister geworden …«
    »Und Marlies? War die auch eine von denen?«
    »Aber ja! Die Marlies war eine von den wildesten. Die hat alle ganz verrückt gemacht.«
    »Inwiefern?«
    »Mit dem Sex halt. War doch die Hübscheste von allen. Kannst dich denn nicht mehr erinnern? Das war bei uns manchmal wie in Woodstock … der Schlamm und der Dreck, und die Marlies war immer mittendrin. Freie Liebe und so was … Make love, not war … Die Kinder waren total verrückt.«
    »Aber dann ist sie ja von einem Tag auf den anderen weg gewesen.«
    »Ja, ja. Das stimmt. Gab viel Gerede damals.«
    »Was haben die Leute denn gesagt?«
    »Dass sie wegen einem Mann nach Berlin ist.«
    »Und war das so?«
    »Schon, schon.«
    Der alte Mann wurde etwas einsilbig, und Bichlmaier beobachtete, wie sich sein Gesicht verdunkelte. Offensichtlich gab es da etwas, womit er nicht so recht einverstanden war.
    »Ich hab die Marlies gern gehabt«, sagte er dann. »Die hat es doch nicht leicht gehabt.«
    »Wie meinen Sie das denn?«
    »Na, bei dem Vater. Das war ein ganz Hundertprozentiger. Einer, der dem Adolf nachgetrauert hat. Obwohl er nach dem Krieg ja noch ein richtiger

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