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Roter Herbst - Kriminalroman

Roter Herbst - Kriminalroman

Titel: Roter Herbst - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Pimpf war. Da ist aber der Vater von ihm schon so einer gewesen, der Opa. Der war Ortsgruppenleiter hier und hat’s schlimm getrieben, während die meisten Männer aus den Dörfern im Krieg waren. Hat alle schikaniert. Und der Sohn war nicht viel besser … Und das hat die Marlies ziemlich wild gemacht. Die war halt anders als ihr Alter und der Opa. Politisch gesehen …«
    »War denn der Berger der Einzige, der so war?«
    »Nein. Natürlich nicht. Die meisten Älteren wollten damals ihre Ruhe haben. Die haben Angst gehabt, dass die Jungen alles zerdeppern, was sie sich nach dem Krieg wiederaufgebaut haben.«
    »Aber der Berger war wohl besonders schlimm?«
    »Kann man so sagen. Er war auch mal in einer von diesen rechten Parteien. War sogar Ortsvorsitzender. Und was der sonst noch alles auf dem Kerbholz hat …«
    »Und doch hat sich die Marlies mit den Studenten und Krawallbrüdern herumgetrieben, die dem Berger ein Dorn im Auge gewesen sind …«
    »Ja, ja. Aber das hat den Leuten hier gefallen. Die haben über den Berger gelacht und ihn nicht mehr so ernst genommen. Natürlich nur insgeheim … Na ja, vielleicht hat er es nicht anders verdient.«
    »Wie hat sich denn der Berger daraufhin verhalten?«
    »Der hat die Marlies verprügelt und eingesperrt, aber das hat auch nichts geholfen. Marlies war genauso stur wie der Alte. Wenn es besonders schlimm gewesen ist, dann ist sie nach der Schule zu mir gekommen und hat sich ausgeheult.«
    »Dann haben Sie sie recht gut gekannt, oder?«
    »Kann man sagen. Marlies und eine Reihe von den anderen Gören. Die haben immer so erwachsen getan, aber bei mir haben sie sich dann ausgeflennt … Das war halt eine andere Zeit. Die meisten Eltern waren richtig streng. Nicht so wie heute. Da gab’s schon manchmal was hinter die Löffel.«
    »Können Sie sich noch erinnern, mit wem Marlies damals zusammen war?«
    »Nein, beim besten Willen nicht. Marlies hat eine Menge Freunde gehabt. Von denen war aber kaum einer aus der Gegend. Das waren vor allem Studenten aus der Stadt. Genau kann ich mich nicht mehr erinnern. Ist schon viel zu lange her … Der Kopf macht doch nicht mehr so recht mit, weißt du.« Er lachte meckernd. »Irgendwo gibt’s einfach Grenzen.« Der alte Mann gab noch einen Seufzer von sich. Amanda hörte plötzlich ein Rumpeln, das aus einem anderen Raum kam. Die Tür wurde geöffnet und einer der beiden Männer, die vor dem Haus gesessen waren, kam mit einem Tablett herein, auf dem sich Kaffeegeschirr und Kuchen türmten.
    »Für alle Fälle«, sagte er. »Den Kuchen hat meine Enkelin gemacht.«
    Bichlmaier nickte und Amanda begann, das Geschirr zu verteilen, und schenkte den Kaffee ein. Die Brühe, die aus der Kanne kam, war teerschwarz und offensichtlich gemacht, um Tote wieder zum Leben zu erwecken.
    »Guter Kaffee«, sagte Bichlmaier.
    »Der beste weit und breit«, knurrte Mietzner. »Gibt’s nur in unserer WG.«
    »Habt ihr nicht noch ein Plätzchen frei?«
    »Kann dich ja auf die Warteliste setzen.« Wieder lachte er sein meckerndes, heiseres Lachen, bis es ihn schüttelte.
    Amanda hatte während des Geplänkels geschwiegen und ein Foto der Moorleiche auf den Tisch gelegt. Sie reichte es dem alten Mietzner, der es eine Weile lang betrachtete. Es war ein einfaches Foto, das aufgenommen worden war, als der Tote bereits in der Gerichtsmedizin gelegen hatte.
    »Das ist der Mann«, sagte sie.
    Mietzner und auch der andere, der den Kaffee gebracht hatte, schüttelten den Kopf.
    »Klar. Das Bild aus der Zeitung. Aber wer sollte das sein?«
    »Genau die Frage stellen wir uns auch.«
    »Sieht gar nicht mehr aus wie einer von den Revoluzzern von damals …«
    Der andere Mann gab einen seltsamen Seufzer von sich, erhob sich und ging wortlos aus der Stube. Bichlmaier blickte hinter ihm her, während Mietzner fortfuhr.
    »Ich hab’s immer gesagt, das Ganze war was Politisches. Die Marlies wollte ihren Alten provozieren und der Bürgerschreck, mit dem sie dann abgedampft ist, kam ihr da gerade recht. Das hat dem Berger nicht geschmeckt …«
    Bichlmaier schwieg. Er versuchte, seine Aufmerksamkeit auf die Worte des alten Mann zu richten, doch seine Gedanken begannen zu wandern, machten sich selbstständig und gingen zurück in die Zeit, als er jung gewesen war. Er fragte sich, ob er jemals solche Empfindungen gehabt hatte wie Marlies in diesem Alter? Solche Aggressionen? Hatte er in seinen jungen Jahren auch den Wunsch verspürt, zu fliehen? Oder später dann.

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