Roter Herbst - Kriminalroman
Das war die Erfahrung, die er als Polizist gemacht hatte. Eher selten waren es die Reichen, die Privilegierten gewesen, die auf unnatürliche Weise ihr Leben verloren. Als biete ihnen ihr Geld Schutz vor Gewalt und Leid.
Dieses ungerechte Verhältnis ging ihm durch den Kopf, als er mit Ströher von der Mordkommission München das Chaos betrachtete, das die beiden Männer hinterlassen hatten, die wenige Stunden vor ihnen in diesem Raum gewesen waren. Der Bordellbetreiber, der eigentlich nur ein Strohmann war für jemanden, der mit dem Etablissement nicht in Verbindung gebracht werden wollte, hatte sie verständigt.
Es seien Polizisten gewesen, die sich ausgewiesen und dieses Chaos angerichtet haben. Er habe sie hereingelassen, aber da könne etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.
Eine Beschreibung der Männer?
Mantel der eine, Lederjacke der andere, mittlere Größe, glatte Durchschnittsgesichter, der eine etwa 50, der andere jünger. Es würde schwer werden, sie zu identifizieren, falls sie überhaupt in irgendwelchen Karteien auftauchten.
Nowak fragte sich, ob es Sinn hatte, Ottos auf dem Boden verteilte Habseligkeiten zu durchsuchen. Wenn es etwas gab, das von Bedeutung war, dann hatten es die beiden Schattenmänner sicher gefunden. Dies blieb wohl eher eine Aufgabe für die Spurensicherung.
Trotzdem schaute er sich um, konnte aber nichts entdecken. Mit seiner rechten Schuhspitze stieß er gegen zerborstene Holzteile von billigen Regalwänden, alte Zeitschriften, die auseinandergefaltet und fallen gelassen worden waren. Selbst einen uralten Röhrenfernseher und einen Videorecorder hatten die Männer zerlegt, als ob sie in deren Innenleben nach etwas gesucht hatten. Dazwischen lagen Videokassetten mit Pornos. Auch sie schienen genauestens untersucht worden zu sein. Unter den Zeitschriften und dem sonstigen Müll ein kleines Spielzeug, eine alte Stadtbahn.
»Wie lange haben sich die Männer in dem Raum aufgehalten?«
»Sicher fast zwei Stunden.«
»Wann war das?«
»Irgendwann am frühen Abend. Bei uns war die Hölle los. Niemand hat sich um die beiden Vögel gekümmert. Die waren dann auch weg, als ich später mal nach hinten bin.« Der Mann wirkte betrübt, als wäre alles seine Schuld. Schließlich wollte er ja mit der Polizei kooperieren. Novak überließ ihn Ströher zur weiteren Befragung und ging in den Flur zurück, der Ottos Domizil und den eigentlichen Bordellbereich miteinander verband. Er hörte Geräusche, die aus der Bar im Erdgeschoss kamen, Wortfetzen und Lachen. Er lehnte sich gegen die Holzwand und rief Amanda Wouters an.
»Hier ist Edi.«
»Ja, wo bist du?«
»Im Leierkasten. Otto Brenner hat hier so eine Art Zimmer gehabt, in dem er gehaust hat. Zusammen mit seinen Hunden …«
»Verstehe. Hast du was gefunden, das uns weiterbringt?«
»Vielleicht. Jemand hat den Raum gefilzt. Zwei Typen, die sich als Polizisten ausgegeben haben.«
»Und? Denkst du, sie haben gefunden, wonach sie gesucht haben?«
»Keine Ahnung. Aber die beiden haben ein ziemliches Chaos hinterlassen. Das, wonach sie gesucht haben, muss ziemlich klein gewesen sei. Die haben sogar Zigarettenschachteln und die Fresspakete für die Hunde durchsucht …«
Einige Sekunden lang blieb es still, und nur das Rauschen in der Leitung war zu vernehmen.
»Bist du noch dran?«
Nowak grunzte nur.
»Hast du einen Computer in dem Raum gefunden? Irgendwelche Anschlüsse?«
»Nein.«
»Na gut«, sagte Amanda. »Sucht weiter. Vielleicht findet sich ja noch etwas, das uns weiterbringt. Und haltet nach Fotos Ausschau.«
»Wer soll das sein?«, fragte Bichlmaier. »Der Hüter. Klingt wie eine Figur aus einem Märchen.«
Amanda zog die Schultern hoch und ließ die Arme hilflos auf den Schreibtisch fallen, der über und über mit Papieren bedeckt war. »Vielleicht jemand, der ein Geheimnis hütet.«
»Warum hat sie ihn überhaupt erwähnt?«
»Vielleicht will sie uns etwas mitteilen, was sie eigentlich gar nicht preisgeben will. Ein Geheimnis, das ihr auf der Seele brennt, etwas, wovor sie Angst hat …«
»Etwas, das vielleicht ihren Mann betrifft. Etwas Dunkles aus seiner Vergangenheit.« Bichlmaier trat ans Fenster, blickte hinaus. Die Bäume wiegten sich leise im Wind. In einiger Entfernung war ein Kinderspielplatz. Lachen und Schreie drangen herüber. So viele Dinge gingen ihm durch den Kopf.
»Rune wüsste vielleicht Bescheid.«
»Vielleicht.«
»Denkst du, er ist der Hüter?«
»Rune? Nein.« Bichlmaier
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