Roter Herbst - Kriminalroman
Boden lag wie ein Stück Wild, das der Jäger erlegt hatte, und nahm den Stick an sich. Der Schuss hatte den alten Mann offensichtlich direkt ins Herz getroffen.
Bichlmaier schaute auf den Toten und den Mörder, der zu dessen Füßen kauerte, und es war ihm, als könnte er den leisen Klang einer hellen Glocke vernehmen, der wie eine Ahnung aus der Tiefe des Moores heraufstieg.
Zusammen mit Johnson verließ Bichlmaier die Stelle, an der dieser vor wenigen Augenblicken Magnus Berger hingerichtet hatte, ohne dass es ihm möglich gewesen war, das zu verhindern. Er war müde, und sämtliche Kraft hatte ihn verlassen, sodass er mehr stolperte als ging. Dabei hatten sie kurz erwogen, die Leiche des alten Mannes mitzunehmen, sie zu dem kleinen Wäldchen zu schleppen, doch hatte sich Bichlmaier aus ermittlungstechnischen Gründen dagegen entschieden. Vielleicht auch nur, weil ihm die Kraft dafür gefehlt hatte. Die Spurensicherung würde kommen, den Tatort in Augenschein nehmen und einen Bericht erstellen, der die Ereignisse dokumentierte. Das musste sein. Standardprozedere. Natürlich hatte er auch die beiden Waffen an sich genommen, Bergers Revolver und Johnsons kleinkalibrige, todbringende Pistole, die ebenfalls untersucht werden würden. Die Ergebnisse allerdings, da war er sich sicher, standen bereits fest, und niemand würde Johnson vorwerfen, dass er von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hatte. Zu eindeutig musste sich ihm die Situation einer Bedrohung dargestellt haben. Bichlmaier war aber ebenso fest davon überzeugt, dass die Hintergründe seines Handelns nie ans Tageslicht kommen würden und dass selbst eine Aussage, die auf Johnsons geheimdienstliche Tätigkeit hinwies, nichts daran ändern würde. Niemand würde ihm Absicht unterstellen. Und nur er wusste, dass Berger auf bequeme Weise mundtot gemacht worden war. Aber selbst er, der dabei gewesen war, was sollte er aussagen?
»Was wirst du mit Urbachs Aufzeichnungen machen?«, fragte er, nachdem sie etwas mehr als die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatten. Er wandte sich zu Johnson um, der die ganze Zeit hinter ihm gegangen war.
»Welche Aufzeichnungen?«, fragte der. Er lachte dabei freudlos und zeigte seine bloßen Hände. Wie es schien, war der Datenträger in einem der unzähligen schwarzen Löcher gelandet, an denen sie vorbeigekommen waren, und würde somit nie mehr auftauchen.
»Gibt es denn nur diese eine Kopie? Könnt ihr sicher sein, dass nicht doch mehrere Kopien irgendwo im Umlauf sind?«
Johnson zuckte leicht mit den Schultern. »Das mag schon sein, aber sobald jemand damit an die Öffentlichkeit treten möchte, sind wir da …« Er vollendete den Satz nicht, und doch ahnte Bichlmaier etwas von der ungeheuren Präsenz der geheimen Welt, begann das Ausmaß zu verstehen, in dem sein Leben und das der anderen Menschen von dieser Parallelwelt gesteuert wurden.
»Auch in Amerika?«
»Natürlich, auch dort.«
Während des restlichen Weges schwiegen die beiden Männer. Erst als sie in der Nähe des Wäldchens waren, wandte sich Johnson an Bichlmaier.
»Wirst du Romy noch einmal besuchen?«, fragte er. »Bevor du fährst.«
Bichlmaier gab ihm keine Antwort.
Als sie das Wäldchen schließlich erreicht hatten, ließ Bichlmaier sich völlig entkräftet auf den feuchten Boden fallen. Er spürte, wie er zitterte und die Anspannung der letzten Minuten und Stunden von ihm abfiel. Er wusste nicht, wie lange er so seltsam hingekauert dagelegen hatte. Später erinnerte sich aber an ein Gefühl totaler Leere, das ihn in diesem Augenblick erfasst hatte.
Wie durch einen Nebelschleier nahm er irgendwann wahr, dass einer der Polizisten zwischen den Bäumen hervortrat, auf ihn zulief, auf die freie Fläche vor ihm deutete und dann nach oben und etwas zu ihm sagte, was er nicht verstand.
Erst als ohrenbetäubender Lärm einsetzte, wachte er aus seiner Betäubung auf, bewegte sich zögernd auf allen vieren nach vorn. Wie aus dem Nichts stand plötzlich ein Helikopter in der Luft, nur wenige Meter über dem Grasboden, peitschte die Halme und Büsche und wirbelte abgestorbene Zweige und Blätter der nahen Bäume hoch. Eine Trage wurde heruntergelassen und gleichzeitig schleppten zwei Polizisten aus dem Schutz der Birken kommend in aller Eile einen bewegungslosen Körper herbei, verstauten ihn in geduckter Haltung in der Trage und warteten, bis diese nach oben gehievt worden war. Amanda. Offensichtlich hatte sie wieder das Bewusstsein verloren. Kurz
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