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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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Abenteuerfilm mit viel Tanz und Gesang. Die Kürbisverkäuferin blickte den Jungen zuerst ungläubig an, aber dann schien sie beeindruckt zu sein und rief ihrer Nachbarin etwas zu. Mara spürte förmlich, wie die Geschichte auf dem Markt die Runde machte. Ständig hörte sie beim Einkaufen das Swahili-Wort filmi. Filmi Americani mkubwa. Sehr großer amerikanischer Film. Oder hieß es eher Film des sehr großen Amerikaners? Sie war sich nicht sicher. Auf jeden Fall war ihr klar, dass binnen kurzem jeder in Kikuyu über die besonderen Gäste auf der Raynor Lodge Bescheid wissen würde. Nervös runzelte sie die Stirn, weil ihr einfiel, dass sie Carlton Ungestörtheit zugesagt hatte. Aber es war sicher nicht so schlimm, wenn die Afrikaner von dem Film wussten, tröstete sie sich. Carlton machte sich bestimmt nur Sorgen über die Anwesenheit von Journalisten oder Fotografen. Und die gab es hier nicht.

    Das New-Tanzania-Warenhaus befand sich an einer Ecke mitten in Kikuyu. Die schmale Fassade war in Pastellfarben gestrichen, teilweise überdeckt von Hindi-Schriftzeichen. Der Laden war kürzlich umbenannt worden, und unter den neueren Buchstaben konnte man noch schwach das Wort Kolonialladen erkennen. Aus der offenen Tür stieg Mara der Duft nach gebratenen Gewürzen und heißem Öl in die Nase und erinnerte sie daran, dass sie seit dem Frühstück im Morgengrauen nichts gegessen hatte.
    Sie trat durch den Perlenvorhang in das dämmrige Innere des Ladens. Brütende Hitze umgab sie, als sie an Blechkanistern mit Kochöl und offenen Säcken voll mit Maismehl, Kidney-Bohnen, Linsen, Erdnüssen, Reis und Mehl vorbeiging. An der Wand hing ein elektrischer Ventilator, der sich langsam drehte – er bewegte die Luft zwar leicht, aber dadurch schien es im Laden nur noch heißer zu werden.
    Sie hatte gerade ihre Einkaufsliste hervorgeholt, als eine Stimme aus dem Zimmer hinter der Theke ertönte.
    »Ja, ja. Was wollen Sie? Sagen Sie. Schnell.«
    Mara erkannte den melodischen indischen Singsang und das rudimentäre Swahili der Frau des Besitzers.
    »Bina!«, rief sie. »Ich bin es, Mara.«
    Eine massige Gestalt quetschte sich durch die Tür und trat hinter die Theke. Sie trug einen leuchtend rosa Sari mit üppiger Goldstickerei. Als sie Mara anlächelte, sah man, dass ihre Zähne ebenfalls vergoldet waren.
    »Ich habe Geld«, sagte Mara rasch. »Ich möchte die Rechnung bezahlen – und Vorräte kaufen.«
    Binas Lächeln wurde breiter. »Ich habe die Neuigkeiten schon gehört!« Auf ihr Englisch verwandte sie viel mehr Sorgfalt als auf die afrikanische Sprache. »Ich weiß, warum du hier bist.« Sie schnipste mit den Fingern, und eine kleine, dünne Frau tauchte neben ihr auf. Bina zeigte auf das Blatt Papier, das Mara in der Hand hielt. »Du hast eine Einkaufsliste.« Sie stieß ihre Gehilfin mit dem Ellbogen an. »Meine Schwägerin stellt deine Einkäufe zusammen und macht die Rechnung fertig. Komm, und setz dich zu mir.«
    Mara lächelte unsicher. Die Vorstellung, sich ein paar Minuten auszuruhen, reizte sie, und Bina bot ihr immer ihren milchigen chai an, der mit Kardamom und Nelken gewürzt war, und reichte scharfe indische Häppchen dazu. Aber Mara fürchtete die Auseinandersetzung mit Menelik, wenn sie mit den falschen Lebensmitteln nach Hause kam. Sie blickte zu den Regalen, die vor Dosen, Tüten und Schachteln überquollen. Bei den einzelnen Produkten war die Auswahl gering – Kimbo-Margarine, Kilombero-Zucker, Brooke-Bond-Tee –, und eigentlich musste sie nur wenige Entscheidungen treffen.
    »Okay, danke«, erwiderte sie. »Die Liste ist nicht kompliziert – nur lang.« Sie wollte den Zettel gerade hinüberreichen, als ihr die Seifenstangen auffielen, die auf der Theke lagen. »Ich muss mich nur entscheiden, welche Seife ich mitnehmen will.« Ihr Blick glitt von den cremigen Palmolive-Blöcken, die für Filmstars geeigneter zu sein schienen, zu den dunkelroten Stücken Lifebuoy, die es in Raynor Lodge immer für die Gäste gegeben hatte – die Karbolseife roch nicht besonders gut, aber sie tötete mit Sicherheit alle Keime.
    »Nimm sie beide«, sagte Bina. »Lass ihnen die Wahl.« Sie wedelte mit ihrer rundlichen, kleinen Hand, als ob sie sich selbst dirigieren wollte. »Das ist mein Rat Nummer eins, wenn du mit wichtigen Leuten zu tun hast. Selbst wenn beides nicht gut ist – wenn sie etwas aussuchen können, sind sie zufrieden!«
    Sie führte Mara in ihr Wohnzimmer, das zugleich als Schneiderwerkstatt diente.

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