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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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aufgepasst hatten, damit sie nicht schwanger wurde – sie wollten wirklich erst erreichen, dass die Lodge richtig lief, bevor sie eine Familie gründeten –, aber jetzt war alles anders. In der letzten Zeit war Mara absichtlich früh allein ins Bett gegangen. Und wenn dann ihr Mann kam, hatte sie ganz still dagelegen und so getan, als ob sie fest schliefe, damit er sie nicht anfasste und sie kein schlechtes Gewissen haben musste, weil sie seine Berührungen nicht erwiderte …
    Bina sagte nichts mehr. Stattdessen nahm sie weiter Maras Maße, und ihre Finger glitten sanft mit dem Maßband über ihren Rücken. Dann hielt sie ein Stück Stoff an Maras Körper. Glatt lag es an ihrer Haut. Ihre Stimme war leise und beruhigend, als ob Mara ein Kind wäre.
    »Du wirst wunderschön aussehen«, sagte sie leise. »Warte es nur ab.«
    Mara schloss die Augen, um die Tränen zurückzudrängen.

    Kurz hinter dem letzten richtigen Geschäft in Kikuyu, wo der Ort nur noch aus einer Ansammlung grob gezimmerter Hütten und Unterkünften bestand, bog Mara auf ein eingezäuntes Gelände ein. Über dem Tor stand auf einem großen Metallschild B.H. Wallimohammed, Händler für Waffen und Munition, Michelin Reifen.
    Sie parkte den Wagen neben einem Stapel von gebrauchten Autoreifen und wies die beiden Jungen an, sich hinten auf den Landrover zu setzen, während sie ihre letzte Besorgung erledigte.
    »Ihr müsst auf diese Kisten aus dem Hotel aufpassen«, sagte sie und wies auf die Kisten mit Alkohol und Limonade. »Sie sind sehr wichtig.«
    Die Jungen kletterten gehorsam nach hinten. Mara wusste, dass sie auf ihren nüchternen Tonfall, ihre energischen Gesten reagierten. Sie spielte die Safari-Gastgeberin – die geschäftige, effiziente Person, die keine Zeit hatte, an sich selbst zu denken. Keine Zeit, zu fühlen …
    Sie eilte auf ein langes, niedriges Gebäude zu. Es war solide, aber schlicht aus Zementblöcken gebaut. Vor den Fenstern waren dicke Gitterstangen – nicht nur vertikal, sondern auch horizontal. Mara zwang sich, mit gleichmäßigen Schritten vorwärtszugehen. Wenn sie zögerte, fürchtete sie, stehen zu bleiben – und umzukehren.
    Als sie die Vordertreppe erreichte, trat ein drahtig aussehender Mann mit grauen, krausen Haaren vor die Tür. Er verschränkte die Arme und machte sich so breit, dass er ihr den Weg versperrte.
    »Guten Tag, Mr. Wallimohammed«, begrüßte Mara ihn. Unwillkürlich musterte sie sein Gesicht, als wollte sie wieder einmal seine Nationalität ergründen. Er hatte eine bräunliche Hautfarbe, die allerdings sowohl von der Sonne als auch von einer gemischtrassigen Herkunft stammen konnte – oder von beidem. Er sprach Englisch und Swahili gleichermaßen fließend.
    Er nickte Mara zu, erwiderte aber den Gruß nicht, sondern wippte nur leicht auf den Ballen, während er sie ansah.
    »Ich bin gekommen, um Johns offene Rechnung zu bezahlen«, sagte sie.
    Der Mann zog die Augenbrauen hoch und runzelte die Stirn. »Die gesamte Rechnung?«
    Mara zog ein Bündel Geldscheine aus der Tasche. »Wie viel schuldet er Ihnen?«
    Wallimohammed pfiff durch die Lücken in seinen gelblichen Zähnen. »Kommen Sie ins Büro.«
    Mara folgte ihm hinein, wobei sie versuchte, möglichst flach zu atmen. Hinter dem Geruch von Gewehröl und Diesel lag ein schwacher Hauch von etwas anderem, das wusste sie.
    Es kam aus dem Schuppen neben dem Bürogebäude.
    Als Mara das erste Mal hierhergekommen war – damals, als sie noch kein Geld schuldig waren und John ein geachteter Kunde war –, hatte Wallimohammed sie einmal eingeladen, einen Blick dort hineinzuwerfen.
    »Das ist mein anderes Geschäft«, hatte er gesagt und sie zu dem Schuppen geführt. »Handtaschen und Papierkörbe.«
    Mara war ihm fröhlich gefolgt, ohne darüber nachzudenken, was er gemeint haben könnte. Auf der Schwelle war sie wie angewurzelt stehen geblieben.
    Auf dem Boden standen lange Reihen von Elefantenfüßen. Die trockenen, hohlen Formen waren wie eine bizarre Kollektion von Schuhen, an der Mitte des Schienbeins grob abgeschnitten. Einzelheiten hatten sich Mara tief eingeprägt – die Linien horniger Fußnägel, die gewellten Kanten der haarigen Haut, das Sägemehl, das in jeden Fuß gestopft worden war, damit er seine Form behielt.
    Hinter den Füßen lagen ganze Stapel von Ohren, jedes so groß wie ein kleiner Teppich, aus gummiähnlichem Leder, von Venen durchzogen. Sie hatten alle die Landkartenform von Afrika, aber jedes einzelne Ohr wies Risse

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