Roter Lampion
einen kleinen Streit vom Zaun zu brechen.
Sorokins Lider verengten sich. »Was ist los mit Ihnen?«
»Ich werde nicht damit fertig, daß Sie sich kaltschnäuzig in den Besitz der Aktien von Mistreß MacDonald gebracht haben.«
»Machen Sie mich nicht dafür verantwortlich, wenn Sie zu weich veranlagt sind«, entgegnete Sorokin heftig. »Nicht ich, sondern Sie liegen falsch! Mister Hamilton suchte mich heute morgen auf, um mir zu gratulieren. Er fand es großartig, daß ich seine ehemaligen Aktien so günstig erstanden habe.«
»Kunststück! Er ist Partei und wünscht Mistreß MacDonald alles Schlechte.«
Ivo Sorokin lachte hämisch. »Wer ist schon unparteiisch. ›Sine ira et studio‹ ist etwas für Richter, nicht aber für Geschäftsleute.«
»Da mögen Sie recht haben«, lenkte Gordon Cooper ein, um den Bogen nicht zu überspannen, was ihm besonders geraten schien, weil er Sorokin noch davon in Kenntnis setzen mußte, daß es Lee Akira gelungen war, alle von ihm auf den Markt geworfenen Wertpapiere zurückzukaufen. Mit einem Wutanfall war also zu rechnen. Zu Coopers großer Verwunderung aber trat gerade das Gegenteil ein. Der ›überraschende Gegenzug‹ des Zinnminenbesitzers fand Ivo Sorokins volle Bewunderung.
»Ich hätte ihn im Betrieb ohnehin gewähren lassen«, sagte er wie zu sich selber. »Da bleibt es sich gleich, ob ich fünfundvierzig oder einundfünfzig Prozent der Anteile besitze. Hauptsache, der Leiter des Unternehmens ist in Ordnung, und daß er das ist, hat er mit seinem unerwarteten Gegenzug bewiesen.«
Gordon Cooper beglückwünschte sich noch nachträglich zu seinem Entschluß, Lee Akira zu informieren, und es versöhnte ihn, daß Ivo Sorokin nicht den Plan gehegt hatte, die Befugnisse des jungen Zinnminenbesitzers einzuengen oder gar zu beschneiden.
Seine versöhnliche Stimmung war aber wie weggeblasen, als er am nächsten Morgen aus einer ihm vom Portier mit bedeutungsvoller Miene überreichten Zeitung er sah, daß Sorokins selbstsüchtiger Aktieneinkauf nicht ohne Folgen geblieben war. Patrice MacDonald lebte nicht mehr! Mit hoher Geschwindigkeit war sie in der Bukit Timah Road, Singapores breiter Ausfallstraße nach Malaya, auf einen mit Eisenträgern beladenen Lastwagen geprallt und auf der Stelle getötet worden. Kurz zuvor hatte sie im Stadtzentrum eine Verkehrsampel nicht beachtet und einen Wagen gerammt, wodurch die Polizei auf sie aufmerksam geworden war und ihre Verfolgung aufgenommen hatte. Als Ursache ihres unkontrollierten Verhaltens wurde Trunkenheit angegeben.
Gordon Cooper war außer sich. Am Mittag hatte er noch versucht, Patrice MacDonald im Flugzeug mitzunehmen, weil er befürchtete, daß sie erneut trinken würde. Sie aber hatte nicht fliegen wollen und ihm versprochen, sich gründlich auszuschlafen und erst am nächsten Morgen zurückzufahren. Statt dessen hatte sie wieder zur Flasche gegriffen und sich danach auf den Weg gemacht.
Patrice MacDonalds Tod ging Gordon Cooper nahe, und es war erschütternd für ihn zu erleben, daß ihr jämmerliches Ende von den Chinesen auf der Straße wie eine Freudenmeldung besprochen wurde. Dann erkannte er jedoch, daß ihr Tod ihm die Möglichkeit bot, Sorokin in die Hand zu bekommen. Eine bessere Chance, schnellstens nach Hongkong zurückzukehren, konnte sich ihm nicht bieten.
Wie am vorhergegangenen Tage, so lag Ivo Sorokin auch an diesem Morgen wieder mit halbaufgerichtetem Oberkörper im Bett, als Cooper in das Krankenzimmer eintrat. Seine Miene war finster, und in seinen Augen lag etwas Schuldbewußtes.
Gordon Cooper reichte ihm die Hand und hob die Zeitung, die er mitgebracht hatte. »Sie werden es bereits gelesen haben, nicht wahr?«
Ivo Sorokin nickte. »Scheußliche Geschichte. Sie konnte ja nicht ohne Whisky leben.«
»Und nicht ohne Aktien«, ergänzte Cooper anzüglich.
Sorokin fegte die Bemerkung mit einer unwilligen Handbewegung fort. »Fangen Sie nicht wieder davon an!«
»Patrice MacDonalds Tod hängt damit zusammen«, entgegnete Cooper unbeirrt.
»So ein Unsinn!« begehrte Ivo Sorokin auf. »Sie wissen genau, daß ich ihren Vorschlag aufgegriffen und Mistreß MacDonald einen Aufpreis angeboten habe, von dem sie eine ganze Weile hätte leben können. Aber nein, das wollte sie nicht. ›Almosen‹ lehnte sie ab. Was hätte ich denn tun sollen?«
»Weniger geldgierig sein!« antwortete Cooper unverblümt, da er den Zeitpunkt für gekommen erachtete, das Heft in die Hand zu nehmen. »Sie und leider auch
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