Roter Lampion
tonloser Stimme. »Nachdem mir vorhin bereits klargeworden war, daß Sie hier eine besondere Funktion ausüben, weiß ich jetzt, daß ich es bin, der unter Verdacht steht. Mit diesen Schlüsseln können Sie meinen Geheimsafe sowie meine Schränke und Schubladen im Büro und daheim öffnen.«
Margit Holstein legte ihren Arm wie schützend um Sorokins Schulter. »Reg dich nicht auf«, beschwor sie ihn. »Das Ganze muß ein Mißverständnis sein.« Damit schaute sie flehend zu Cooper hinüber, der den Schlüsselbund nachdenklich betrachtete und seine Hand bewegte, als schätze er das Gewicht der Schlüssel ab. »Nicht wahr, es ist doch Unsinn, daß Ivo verdächtigt wird.«
»Unsinn kann man es nicht nennen«, antwortete Cooper bedächtig. »Es steht allerdings nicht Mister Sorokin, sondern die ›British Chinese Ex- and Import Company‹ im Verdacht, die Zentrale einer weltweiten Agentenorganisation zu sein, und nachdem Mister Sorokin mich durch Übergabe seiner Schlüssel davon überzeugte, daß er nichts zu befürchten hat, freue ich mich, ihm gegenüber nunmehr mit offenen Karten spielen zu können. Ich gehöre der Abteilung M.I.5 des Secret Service an, und ich erhielt den Auftrag, mich an Mister Sorokin heranzumachen, sein Vertrauen zu gewinnen und seine Firma unter die Lupe zu nehmen.«
Margit Holstein schrie auf.
Ivo Sorokin war zumute, als gerinne ihm das Blut in den Adern. Schwindel überkam ihn. Sein Unternehmen war gefährdet, ernstlich gefährdet. Lo Sung stellte eine nicht mehr tragbare Belastung dar. Aber konnte Ah Boons Neffe der Kopf einer Agentenzentrale sein? Seine mit einem schweren Motor ausgerüstete Dschunke, seine Vertriebsorganisation für Ginseng, die Unverfrorenheit, in einer fremden Wohnung eine Abhöranlage zu installieren, gaben Anlaß zu schlimmsten Vermutungen und ließen Sorokin die Fäuste ballen. Alles mochte geschehen, wenn nur die Firma nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ohne sich dessen bewußt zu sein, fragte er Cooper mit einer wie aus weiter Ferne kommenden Stimme: »Gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, daß in unserem Unternehmen nicht alles in Ordnung ist?«
»Zumindest einen«, antwortete Gordon Cooper und berichtete von dem im Gefecht mit der Marinepolizei tödlich verwundeten Chinesen, der im Sterben zweimal den Namen der ›British Chinese Ex-and Import Company‹ genannt hatte. Des weiteren schilderte er die Lo Sung belastenden Ermittlungen, und er wollte eben von seinen auf der ›Bayern‹ gemachten Beobachtungen bezüglich Lim Swee Long erzählen, als David Hamilton und Lee Akira im Garten erschienen.
»Ich hoffe, wir stören nicht«, rief der Amerikaner schon von weitem.
Ivo Sorokin machte einen verzweifelten Eindruck. Ihm stand nicht der Sinne danach, jetzt über andere Dinge zu reden. Er konnte seinen Gästen aber schlecht erklären, keine Zeit für sie zu haben.
Margit Holstein erging es ähnlich. Auch sie brannte darauf, weitere Details zu erfahren. Im Gegensatz zu Sorokin bangte sie jedoch nicht um dessen Firma. Insgeheim hoffte sie sogar, daß das Unternehmen gezwungen sein könnte, seine Tore zu schließen. Wie oft schon hatte sie den Kranken beschworen, den Handel mit Waffen aufzugeben. Dieser Wunsch lag ihr so sehr am Herzen, daß sie ihm das mit Patrice MacDonald abgeschlossene Aktiengeschäft verziehen hatte, um die Brücke nicht zu gefährden, über die er schreiten mußte, wenn er einen neuen Aufgabenkreis übernehmen wollte. David Hamilton, der den Waffenhandel aus Überzeugung aufgegeben hatte, war für sie ein leuchtendes Vorbild, und unwillkürlich dachte sie bei seinem Auftauchen: Wenn es Ivo auch peinlich sein wird, David Hamilton und Lee Akira sollen erfahren, in welchen Morast er geraten ist. Vielleicht bietet sich mir hier eine ungeahnte Chance, einen Sinneswandel herbeizuführen, ohne den ich seinen Wunsch, ihn zu heiraten, niemals erfüllen werde. Kurz entschlossen rief sie dem Amerikaner deshalb zu: »Sie stören uns keineswegs. Mister Cooper hat uns allerdings gerade eine Eröffnung gemacht, die uns mächtig in die Glieder gefahren ist.«
»Ich glaube, du bist nicht gescheit!« zischte Ivo Sorokin peinlich berührt.
Gordon Cooper schaute verwundert zu Margit Holstein hinüber, und er erkannte an ihrem Gesichtsausdruck, daß sie die Bemerkung nicht gedankenlos gemacht hatte. Wollte sie David Hamilton und Lee Akira in das Gespräch einbeziehen? Ihm konnte es recht sein, da er keinen Grund hatte, sich ihnen gegenüber weiterhin als
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