Roter Lampion
Privatsekretär Ivo Sorokins auszugeben. Vielleicht war es sogar gut, den gesamten Komplex gemeinsam durchzusprechen. Die Chance, eine rettende Idee zu finden, konnte sich dabei nur verbessern. Aus dieser Überlegung heraus ergänzte er Margit Holsteins Bemerkung, indem er hinzufügte: »Es ist richtig, daß wir gerade über eine unangenehme Sache sprachen, aber warum soll ich Ihnen verheimlichen, was Sie über kurz oder lang doch erfahren werden: daß ich dem Secret Service angehöre und einer Bande auf der Spur bin, die allem Anschein nach den Namen der ›British Chinese Ex- and Import Company‹ mißbraucht beziehungsweise sich heimlich in dieser Firma eingenistet hat.«
Ivo Sorokin warf ihm einen dankbaren Blick zu.
Gordon Cooper nickte verständnisvoll zu ihm hinüber und reichte David Hamilton die Hand. »Sie haben seinerzeit ja auch Ihre Erfahrungen mit dem Secret Service gemacht, nicht wahr?«
Der Amerikaner stutzte. »Sie wissen davon?«
»Ich habe mich ein bißchen informiert und stieß dabei auf Henry Dymont, der damals Ihr Kompagnon war und das Pech hatte, gegen Mister Lees Adoptivvater antreten zu müssen.«
»Tücke des Objekts«, erwiderte der Amerikaner mit bitterer Miene. »Henry ist nie ganz darüber hinweggekommen.«
»Unser Geschäft ist nicht immer leicht«, entgegnete Cooper und reichte Lee Akira die Hand. »Sollen wir beide gleich beichten?«
»Na klar!« rief David Hamilton, noch bevor sein junger Schützling antworten konnte. Damit wandte er sich an Sorokin. »Hören Sie jetzt gut zu, Sie unverbesserlicher Geld-aus-Blut-Macher! Sie werden eine erstaunliche Beichte hören!«
»Die ich den Herren Cooper und Lee schenke«, kam Ivo Sorokin den beiden zuvor. »Ich weiß doch, daß der Aktienrückkauf im Einvernehmen getätigt wurde.«
Der schiefe Mund des Amerikaners stand plötzlich gerade, und alle anderen machten verblüffte Gesichter.
»Seit wann weißt du das?« fragte ihn Margit Holstein erstaunt.
Ivo Sorokin lachte. »Um ehrlich zu sein: seit dieser Minute. Ich habe nur blitzschnell geschaltet, als das Wort Beichte fiel. Danach gab mir mein geschätzter ehemaliger Berufskollege mit seiner Symphonie auf die Schadenfreude allerdings noch hinreichend Zeit, alles in Ruhe zu durchdenken.«
»Eins zu null für Sie!« konstatierte David Hamilton enttäuscht. »Und ich hatte mich schon so gefreut.«
Die Atmosphäre war plötzlich entspannt, und Ivo Sorokin machte es nichts mehr aus, daß der Amerikaner und Lee Akira erfuhren, welch ungeheurer Verdacht auf seine Firma gefallen war. Darüber hinaus war das, was Gordon Cooper nun von seinen Beobachtungen auf dem Schiff, von Lo Sung und Su-su, von der Abhöranlage, der in Szene gesetzten Haussuchung, dem Bekenntnis Su-sus und deren Schilderung über ihren Freund, dem Polizeibericht über das nächtliche Gefecht mit der Dschunke, dem Bericht über sein Erlebnis in Macao und zu guter Letzt vom aufsteigenden roten Lampion erzählte, so fesselnd, daß niemand mehr zum Nachdenken kam. Die Sonne stand bereits wie eine riesige Feuerkugel vor den die Terrasse umgebenden Bambusstämmen, deren Zweige wie die Schatten exotischer Blattpflanzen herabhingen, als Cooper mit den Worten schloß:
»Zusammenfassend läßt sich folgendes sagen. Erwiesen ist, daß Lo Sung den Freund Su-sus in den Tod schickte und in Mister Sorokins Bungalow eine Abhöranlage installierte, die darauf schließen läßt, daß er gegen den Kompagnon seines Onkels eine Aktion in die Wege leitete. Da in der Folge zwei Mordanschläge verübt wurden, ist anzunehmen, daß diese die vorbereitete Aktion darstellten.
Beide Attentatsversuche wurden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Lim Swee Long verübt.
Nun könnte man Ah Boons Neffen ohne weiteres festnehmen lassen, da das gegen ihn vorliegende Material für eine Verhaftung ausreicht. Erreicht würde damit aber nur, daß Lim Swee Long, der meines Erachtens von Lo Sung den Auftrag erhielt, Mister Sorokin zu beseitigen, gewarnt wäre, womit uns nicht gedient sein kann. Nur wenn beide zu gleicher Zeit festgesetzt werden, kann es gelingen, den Nachweis dafür zu erbringen, daß die Mordanschläge in London und auf dem Schiff auf deren Konto gehen. Das ist das Problem Numero eins, vor dem ich stehe. Ich muß Lim Swee Long nach Hongkong locken. Problem Numero zwei ist das eigentliche Hauptproblem, nämlich festzustellen, ob es eine Agentenorganisation gibt, die sich in der ›British Chinese Ex- und Import Company‹
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