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Roter Lampion

Roter Lampion

Titel: Roter Lampion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. C. Bergius
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der sich am zwanzigsten April in London aufhielt. Die Besatzung des Schiffes sowie die ägyptischen Bootsleute sind somit entlastet, und ich möchte hinzufügen: Gott sei Dank! Ebenfalls entlastet sind alle Passagiere, die sich nachweislich am zwanzigsten April nicht in London aufhielten.«
    Ein Elektronenhirn könnte nicht besser arbeiten, dachte Cooper, den die zwingende Logik tief beeindruckte. Dennoch werden wir keinen Schritt weiterkommen.
    Sorokin fuhr sich mit dem Tuch über die Stirn. »Ich schlage deshalb vor, daß diejenigen unter den Anwesenden, die sich zur fraglichen Zeit nicht in London aufgehalten haben, dies der Schiffsleitung erklären. Alle übrigen, also die ›Verdächtigen‹, zu denen auch ich mich zähle, da ich mich durch Attentatsversuche interessant machen könnte, sollten sich zusammensetzen und beraten, was zu unternehmen ist. Ich glaube, dies ist ein fairer Vorschlag.«
    »Sehr fair!« bestätigte Gordon Cooper aus Überzeugung und in der Hoffnung, den Chinesen doch noch ins Spiel bringen zu können. »Und ich melde gleich, daß ich mich am zwanzigsten April in London aufgehalten habe.«
    Patrice MacDonald hob spontan ihre Hand. »Ich ebenfalls!« In bunter Reihenfolge meldeten sich noch weitere sieben Herren und drei Damen, und Cooper, der den wie unbeteiligt dasitzenden Chinesen Lim nicht aus den Augen ließ, dachte erbost: Wenn ich im Augenblick auch nichts unternehmen kann, er wird mir nicht entwischen.

7
     
     
     
    Der Himmel glich pastellfarbener Shantungseide, das Wasser hatte die Leuchtkraft eines Saphirs, und die Berge am Ufer des Roten Meeres sahen wie alte Männer aus, denen das Leben Runzeln geschlagen hat. Nicht einen grünen Flecken gab es an Land zu sehen. So weit das Auge reichte, verbrannte die Sonne, was sie in anderen Breiten zu Leben erweckt.
    Für die Passagiere der ›Bayern‹ verlief die drei Tage dauernde Fahrt durch das Rote Meer anders, als sie es sich vorgestellt hatten. Das Gefühl, einen Attentäter unter sich zu haben, bedrückte jeden. Von morgens bis abends wurde über nichts anderes gesprochen, und wenn Ivo Sorokin erschien, verstummten all jene, die glaubten, daß einem Mann, auf den innerhalb von vierzehn. Tagen zwei Mordanschläge verübt wurden, nicht zu trauen sei.
    Es gab natürlich auch Passagiere, die anders dachten, und zu ihnen zählten alle Damen und Herren, die ohne Zögern bekannt hatten, am 20. April in London gewesen zu sein. Nüchtern und sachlich besprachen sie die Dinge, bis sie zu dem Schluß kamen, daß die unzweifelhaft logische Überlegung Ivo Sorokins, der erste Täter müsse identisch mit dem zweiten sein, zwangsläufig zu keinem Ergebnis führen könne, da ein Täter sich niemals selbst belasten, sondern stets erklären würde, am fraglichen Tage nicht in London gewesen zu sein. Eine Kontrolle war ja praktisch unmöglich.
    Gordon Cooper hatte diese Gefahr sogleich erkannt, er wies jedoch erst in der zweiten Sitzung auf sie hin, weil er wünschte, daß Sorokin eine Weile mit Menschen diskutierte, die sich als aufrichtig und nicht ängstlich erwiesen hatten. Es ging ihm darum, den stark deprimierten Waffenhändler abzulenken und einen impulsgebenden Kontakt zwischen ihm und einigen Mitreisenden herzustellen.
    Ohne sich dessen bewußt zu sein, veränderte sich Coopers Einstellung zu Sorokin. Sein Auftrag lautete, zu ermitteln, ob der gebürtige Russe der Kopf einer in Hongkong befindlichen Agentenzentrale sei, doch im Bestreben, das Vertrauen des Verdächtigen zu erringen, steigerte er sich so in die übernommene Rolle hinein, daß er ihn mehr und mehr mit anderen Augen sah und anfing, wie ein Freund an ihn zu denken. Erst als Sorokin zwei Tage nach dem Attentatsversuch wieder in seine neu hergerichtete Kabine einzog, erkannte Cooper, welch gefährlicher Wandel sich in ihm vollzogen hatte, und er beschwor sich, nicht nochmals zu vergessen, daß Sorokin möglicherweise einer der größten Feinde der westlichen Welt sei.
    Schleich dich in sein Herz, sagte er sich. Leihe ihm, was ihm jetzt fehlt: Kleidung, Wäsche und was er sonst noch braucht. Setze alles daran, in seine Dienste zu treten, aber betrachte ihn so lange als verdächtig, bis er dir das Gegenteil bewiesen hat.
    Gerne hätte Cooper einen ausführlichen Bericht nach London gesandt, doch in Französisch-Somaliland, wo die meisten Schiffe nur für einige Stunden anlegen, um ihre Tanks mit billigem Öl zu füllen, wagte er es nicht, der Post eine Nachricht anzuvertrauen, die

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