Roter Lampion
»Ein kühles Bier wird auch mir jetzt guttun. Die Verständigung wurde von Minute zu Minute schlechter. Am Schluß habe ich regelrecht schreien müssen.« Damit setzte er sich neben Cooper.
Er hatte jedoch noch nicht richtig Platz genommen, da donnerte eine Explosion los, die das Schiff erzittern ließ. Es war, als würde die ›Bayern‹ von einer Riesenfaust geschüttelt.
Cooper sprang erschrocken auf und lief zur Tür.
Sorokin rannte hinter ihm her und hielt ihn fest. »Ich vermute, daß in meiner Kabine etwas passiert ist.«
Alarmglocken setzten ein.
»Sie meinen wie in London?«
»Sie wissen davon?«
»Seit heute abend. Miß Holstein erfuhr es von Mistreß MacDonald.«
»Kommen Sie!« forderte Sorokin ihn auf und setzte sich erneut in Bewegung.
Auf der Treppe zum A-Deck stürzten ihnen nur dürftig bekleidete Passagiere entgegen. Aus dem Gang zu Sorokins Kabine drang Brandgeruch. Cooper riß einen der überall angebrachten Feuerlöscher aus seiner Halterung und eilte in den Gang hinein. In das Schrillen der Alarmglocken mischten sich hysterische Schreie. Er prallte mit einer schluchzenden Dame zusammen, lief weiter und erreichte Sorokins Kabine, deren Tür geborsten in ihren Angeln hing. Das Innere des Raumes brannte lichterloh. Er schlug den Knopf des Feuerlöschers auf den Boden und sprühte den herausschießenden Schaum in die Flammen.
Sorokin versuchte in die Kabine einzudringen.
Cooper hielt ihn zurück. »Haben Sie den Verstand verloren?«
»Ich muß meine Aktentasche herausholen!«
»Sie sollten froh sein, Ihr Leben gerettet zu haben!« schrie Cooper ihn wütend an. »Wenn der Brand gelöscht ist, können Sie Ihre Tasche suchen.«
Der schrille Ton der Alarmanlage brach jäh ab und ließ taube Ohren zurück. Aus dem Treppenhaus ertönte Geschrei. Über die Bordlautsprecher wurden die Passagiere aufgefordert, Ruhe zu bewahren. Sobald man wisse, was geschehen sei…
Cooper drückte Sorokin den Feuerlöscher in die Hand. »Den Rest besorgen Sie. Ich informiere die Schiffsleitung.«
Im Treppenhaus drängten und schoben sich die Passagiere.
»Es besteht keinerlei Gefahr!« rief Cooper, so laut er konnte. Vergebens. Jeder wünschte so schnell wie möglich zum Promenadendeck und von dort ins Freie zu gelangen.
Gordon Cooper blieb nichts anderes übrig, als zum A-Deck hinunter zu laufen, wo ihm der Chiefsteward, der nun nicht mehr an einen Habicht, sondern an einen Vogel in der Mauser erinnerte, in die Arme lief. »Rufen Sie den Käpten an!« forderte er ihn auf. »Die Explosion fand in Mister Sorokins Kabine statt. Der entstandene Brand ist fast gelöscht. Die Passagiere brauchen sich keine Sorgen mehr zu machen.«
Der ›Chief‹ wählte hastig die Nummer der Kommandobrücke und verständigte den diensthabenden Offizier, der gleich darauf über die Bordlautsprecher beruhigend auf die Passagiere einredete und sie aufforderte, in ihre Kabinen zurückzukehren.
Cooper wollte sich eben entfernen, als ihm der Chiefsteward den Telefonhörer übergab. »Der Erste Offizier ist am Apparat. Sprechen Sie mit ihm. Sie wissen besser Bescheid als ich.«
Gordon Cooper erklärte dem Offizier nach einer kurzen Schilderung der Situation, daß seiner Meinung nach der Versuch gemacht worden sei, Sorokin zu töten.
»Wie kommen Sie darauf?« erkundigte sich der Offizier bestürzt.
»Ich weiß zufällig, daß vor kurzem in London ein Anschlag auf ihn verübt worden ist.«
»Täuschen Sie sich da nicht?«
»Ich habe eben noch mit Mister Sorokin darüber gesprochen.«
»Dann müssen wir sofort eine Untersuchung einleiten.«
»Das ist auch meine Meinung«, erwiderte Cooper, der plötzlich das Gefühl hatte, noch in dieser Nacht eine Antwort auf die Frage zu bekommen, die sich ihm seit Erhalt des Telegramms immer wieder stellte.
Der Erste Offizier beendete das Gespräch, und kurz darauf erklärte er über Bordlautsprecher mit ruhiger Stimme: »Ladies and gentlemen! Aus besonderer Veranlassung sieht sich der Kapitän gezwungen, sämtliche Passagiere in den Gesellschaftsraum zu bitten. Ich wiederhole: sämtliche Passagiere in den Gesellschaftsraum.
Alle dienstfreien Offiziere und Besatzungsmitglieder versammeln sich in der Mannschaftsmesse. Ende der Durchsage.«
Cooper eilte zu Sorokin zurück, der total verschmutzt im Kabinengang kniete und den Inhalt seiner Aktentasche prüfte. In seiner Nähe standen einige halb bekleidete Stewards und Matrosen, die mit ihren Äxten und Sägen zu spät gekommen
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