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Roter Lampion

Roter Lampion

Titel: Roter Lampion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. C. Bergius
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hochgespannter Feuchtigkeit ihre Nahrung fanden. Die Folge war eine aufgewühlte See, die das Abschiedsessen, das der Kapitän der ›Bayern‹ zu Ehren der in Penang von Bord gehenden Gäste gab, zu einem Fiasko werden ließ.
    Margit Holstein gehörte diesmal aber nicht zu jenen Passagieren, die sich in ihre Kabinen zurückzogen. Im Gegenteil, sie war lebendig wie ein Delphin in der Kabbelsee, und sie genoß jede Minute des Abends, den sie mit Gordon Cooper, Ivo Sorokin und Patrice MacDonald verbrachte. Zu vorgeschrittener Stunde wurde sie sogar recht ausgelassen, bis es sie plötzlich nach draußen drängte und sie vom südlichen Sternenhimmel schwärmte, an dem Sirius, der hellste aller Fixsterne, zu dieser Zeit zu sehen sei.
    Da sich jeder nach frischer Luft sehnte, folgte man ihr gerne. Auf dem Lidodeck war es jedoch so unfreundlich, daß Patrice MacDonald und Ivo Sorokin gleich wieder in die Lounge zurückkehrten. Der Wind heulte in den Masten und sprühte mächtige Gischtfontänen über die Reling.
    »Wo ist er denn jetzt, dein leuchtender Sirius in indischblauer Nacht?« fragte Cooper frotzelnd, als er mit Margit Holstein hinter einer Bordwand Deckung gesucht hatte.
    Sie blickte nach Süden, wo fernes Wetterleuchten hohe Wolkentürme erkennen ließ. »Mein Sirius?« wiederholte sie versonnen. »Vielleicht steht er neben mir.«
    Cooper riß sie in die Arme. »Ist das dein Ernst?«
    Ihre Augen blitzten verdächtig. »Warum nicht? Man nennt ihn doch auch den Hundsstern.«
    »Das wirst du mir büßen!« keuchte er und küßte sie leidenschaftlich. Sie geriet in einen Rausch und erwiderte seinen Kuß wie eine Ertrinkende.
    Gordon Cooper war wie von Sinnen und wurde zudringlich.
    »Laß das!« stammelte sie erschrocken.
    Er hörte sie nicht, atmete nur den Duft ihrer Haut.
    Margit Holstein hingegen glich einem Opiumraucher, dem ein Ätherbausch unter die Nase gehalten wird. Ernüchterung überkam sie. Coopers Leidenschaft, die sie eben noch mitgerissen hatte, entsetzte sie plötzlich. »Ich flehe dich an, sei vernünftig!« beschwor sie ihn und drängte ihn mit aller Gewalt zurück.
    Er starrte sie verständnislos an.
    Sie ahnte, was in ihm vorging, und wußte, daß sie nicht ganz schuldlos war. »Verstehe mich«, bat sie ihn. »Übermorgen trennen sich unsere Wege. Wahrscheinlich werden wir uns niemals wiedersehen. Sollen wir da in letzter Minute zerstören, was wir an schönen Erinnerungen mitnehmen können?«
    Cooper fuhr sich durch die Haare. »Unabhängig davon, daß es mir ferngelegen hat, etwas zu zerstören, bezweifle ich, daß eine Erinnerung durch Entsagung schöner wird.«
    »Das habe ich auch nicht behauptet.«
    »Sondern?«
    »Daß wir uns trennen und wahrscheinlich nicht wiedersehen werden. Dieses Wissen war es, das mich zur Vernunft zurückbrachte. Ich will nicht die Achtung vor mir selbst verlieren.«
    Cooper nahm ihr Gesicht in die Hände. »Wenn es so ist… Als Mann sieht man die Dinge anders.«
    Sie gab ihm einen scheuen Kuß. »Ich danke dir.«
    Er lachte verkrampft. »Deine Meinung kann ich dennoch nicht teilen. Für mich ist eine Vereinigung der Ausdruck einer großen Zuneigung; Raum und Zeit können sie nicht herbeiführen. Dementsprechend dürfen Raum und Zeit sie auch nicht verhindern oder ihr im Wege stehen.«
    »Sophistik nennt man die schlechte Kunst des Scheinbeweises«, entgegnete Margit Holstein schlagfertig und fügte mit weicher Stimme hinzu: »Im übrigen bin ich nicht der Meinung, daß eine möglicherweise endgültige Trennung grundsätzlich gegen eine Vereinigung spricht. Ich kann mir sogar vorstellen, daß ein Trennungsschmerz sie geradezu herbeiführt. Dieser klassische Fall dürfte bei uns aber nicht gegeben sein. Oder bist du anderer Ansicht?«
    Er deutete einen Kratzfuß an. »Solcher Ehrlichkeit kann ich schlecht widersprechen.«
    Sie hakte sich bei ihm ein. »Vielleicht ist es schade, daß wir uns trennen müssen, vielleicht auch nicht. Wer weiß das? Wir können nur Zwiesprache halten mit den Göttern und Trost suchen in Dingen, die uns helfen.«
    »Und was hilft dir, zum Beispiel?«
    »Die Wahrheit.«
    »Hast du sie jemals gefunden?«
    »O ja!« erwiderte Margit Holstein lebhaft. »Ein indischer Lehrsatz hat mir dabei geholfen. Er lautet: ›Wer ernsthaft Wahrheit sucht, der findet sie, wenn er sie in sich aufnimmt, in sich selbst. Sie kommt zu ihm und wird offenbar, wenn er sie liebt.‹«
     
     
    Im Wasser der Straße von Malakka spiegelte sich die tropische Hitze

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