Roter Lampion
Gut so?«
»Gewiß!« antwortete Cooper und dachte belustigt: Nimm die Sache von der komischen Seite.
Als er wenige Minuten darauf in Begleitung eines Gepäckträgers die Abfertigungshalle verließ, goß es bereits in Strömen. Die Auffahrt war jedoch überdacht, so daß er nicht in den Regen hinaus mußte.
Lo Sung hatte den Gepäckraum seines amerikanischen Straßenkreuzers bereits geöffnet und verstaute Gordon Coopers Koffer mit einer Behutsamkeit, als enthielten sie unersetzbare Kostbarkeiten. Dann bat er seinen Gast einzusteigen, nahm hinter dem Steuer Platz und ließ den Motor an. Doch kaum hatte er den Wagen in Bewegung gesetzt, da eilte eine eifrig winkende chinesische Stewardeß auf ihn zu. Lo Sung trat sogleich auf die Bremse und fragte verwundert: »Was sie mag wollen?« Damit drückte er auf einen Knopf, der ein Fenster seines Cadillacs auf Coopers Seite öffnete.
Die Stewardeß beugte sich hinab und schaute in den Wagen. »Würden Sie mich mitnehmen?« fragte sie bittend.
»Wir zur ›Ferry‹ fahren«, entgegnete Lo Sung.
Sie nickte. »Ich muß auch nach drüben.«
Ah Boons Neffe sah Gordon Cooper unsicher an. »Wenn Sie nichts haben dagegen…?«
»Natürlich nicht«, erwiderte er und griff hinter sich, um die Tür zu öffnen. »Bitte, steigen Sie ein.«
Die Stewardeß bedankte sich und nahm Platz.
»Sie wollen nach Victoria?« erkundigte sich Lo Sung, als er anfuhr.
»Nein, aber dort bekomme ich einen Bus«, antwortete sie mit melodisch klingender Stimme.
Cooper wandte sich zurück und blickte in ein auffallend zartes Gesicht, das ein Pagenkopf umrahmte, auf dem ein keckes kleines Käppchen saß. Ihre Augen hatten einen ernsten Ausdruck und lagen unter weitgeschwungenen Brauen. Ihre Uniform entsprach dem Schnitt chinesischer Kleider. Der Rock war seitlich bis über das Knie geschlitzt, und ihre Bluse besaß einen enggeschlossenen, hohen Kragen, aus dem ihr Köpfchen wie das einer bezaubernden Puppe herausschaute.
»Vielleicht wir fahren in gleiche Richtung«, nahm Lo Sung das Gespräch wieder auf, als er in die Waterloo Street einbog, um zur Autofähre zu gelangen. »Dann Sie können mit uns fahren und brauchen kein Bus.«
»Das wäre ein großer Zufall«, erwiderte sie schüchtern. »Ich muß zur Repulse Bay.«
»Und wir nach Stanley«, entgegnete Lo Sung aufgekratzt. »Ob ich nun fahre oben oder unten herum, bleibt alles gleich. Sie also sich können sparen Geld und Zeit.«
Die ›Ferry‹ war bald erreicht, und Minuten später fuhren sie durch ein unübersehbares Getümmel von Sampans, Schleppdampfern, Dschunken, Barkassen, Frachtschiffen, Ozeanriesen und Kriegsschiffen auf die Insel Hongkong zu, an deren Ufer die Hochhäuser wie schützende Riesen standen, während die in faszinierendem Gewirr am Hang des Victoriaberges errichteten Villen zur Spitze hinaufzukrabbeln schienen.
»Phantastisch!« sagte Gordon Cooper begeistert, was Lo Sung dankbar quittierte und die im Fond sitzende Stewardeß mit unergründlichen Augen zu ihm hinüberblicken ließ. Dann aber bemerkte sie, daß ihr Landsmann sie im Rückspiegel beobachtete, und sie schaute irritiert nach draußen.
Lo Sung sah es und gab sich einen unbefangenen Anschein. »Bei welcher Fluggesellschaft sind Sie tätig?«
»Leider noch bei keiner«, antwortete die Chinesin etwas kläglich. »Trotz meiner Sprachenkenntnisse habe ich es erst bis zur Hostess der Flughafenverwaltung Kai Tak gebracht.«
Gordon Cooper drehte sich nach ihr um. »Wer so hübsch ist wie Sie, wird sein Ziel über kurz oder lang erreichen.«
Sie lächelte dankbar, da ihr die vor ihrem Landsmann gemachte Bemerkung des Europäers viel Gesicht gab.
Lo Sung beobachtete sie im Spiegel und gönnte ihr die Genugtuung. »Drüben wir übrigens haben unsere Geschäftsräume«, sagte er an Cooper gewandt und deutete zum Government Pier hinüber. »Oberste Fenster von gelbe Hochhaus sind unsere.«
»Alle Achtung!« erwiderte Gordon Cooper überrascht und wies auf einen Angestellten des Fährbootes, der heftig gestikulierend zur Abfahrt aufforderte.
Lo Sung grinste und fuhr an. »Ich nicht aufgepaßt habe. Macht nichts.« Damit steuerte er von der Fähre herunter und bog in die am Ufer entlangführende Connaught Road ein.
Die großzügig angelegten Straßen und Avenuen, die in den nächsten Minuten durchfahren wurden, beeindruckten Cooper nicht so sehr wie die zum Peak hinaufführenden Seitengassen, in denen sich alle Welt ein Stelldichein zu geben schien. Chinesen,
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