Roter Lampion
Inder, Araber, Europäer, Amerikaner, Malaien, Philippinos, Thailänder, Japaner, Indonesier und Mongolen bildeten eine Palette von erregender Farbigkeit, die sich noch dadurch steigerte, daß alle Schichten der Bevölkerung vertreten waren: Hausfrauen, Bankdirektoren, fliegende Händler, Matrosen, Geschäftsleute, Dirnen, Hafenarbeiter und Touristen.
Dann aber verlor sich das Großstadtgewühl, und nachdem einige Hochschulgebäude, Krankenhäuser und Friedhöfe passiert waren, fuhr Lo Sung eine Uferstraße entlang, die Gordon Cooper zeitweilig glauben ließ, sich an der Riviera zu befinden. Palmen und Pinien wechselten mit Oleander, Hibiskus, Bougainvilleen sowie unzähligen kleinen Bäumen und Sträuchern ab, die den ganzen Sommer über in den schönsten Farben blühen.
»Dort Sie jetzt können sehen Aberdeen«, sagte ihm Lo Sung und wies auf eine Bucht, in der Tausende von kleinen Booten, Sampans genannt, so dicht nebeneinander lagen, daß kein Wasser mehr zu entdecken war. »Furchtbar schrecklich dort«, fügte er hinzu. »Aber Menschen nicht merken. Sind geboren auf Sampan, leben auf Sampan, sterben auf Sampan. Macht nichts.«
Du hast Nerven, dachte Cooper und fragte wie nebenbei: »Haben Sie nicht vorhin gesagt, daß wir heute abend in Aberdeen essen wollen?«
Lo Sung nickte lebhaft und hielt den Wagen an. »Sie sehen die zwei große bunte Boote dort?«
»Ja. Um sie herum gibt es wenigstens noch Wasser.«
»Das ›Floating Restaurants‹. Dort wir essen beste Fisch, den es gibt.«
Gordon Cooper schnitt eine Grimasse. »Angesichts der Sampans ist mir nicht ganz wohl dabei zumute.«
»Sie brauchen sich keine Sorge zu machen«, mischte sich die Hostess in das Gespräch. »Beide Restaurants sind bekannt für die Qualität ihrer Küche. Sie werden dort nur gutes Publikum antreffen.«
»Wenn Sie das sagen, wird es stimmen«, erwiderte Cooper galant und warf einen Blick hinter sich.
Sie lächelte wie ein Engel. Ein zweites Mal hatte sie an Gesicht gewonnen. »Letzteres hätte ich eigentlich nicht sagen dürfen«, korrigierte sie sich verlegen.
Gordon Cooper schaute sie fragend an. »Und warum nicht?«
»Weil ich heute abend zufällig selber dort bin und mich somit selbst als gutes Publikum bezeichnet habe.«
»Darauf kann ich nur erwidern, daß ich mich glücklich preisen würde, wenn ich eine Frau wie Sie zur Tischdame hätte.«
»Danke«, antwortete sie kaum hörbar und neigte ihr hübsches Köpfchen, um sich vor ihrem Landsmann zu verbergen, der sie erneut im Rückspiegel belauerte. Der ›rote Teufel‹ verstand es unheimlich, einer Frau Gesicht zu geben.
Lo Sung ließ den Wagen anfahren und wischte über seinen feisten Hals. »Vielleicht dann wir uns sehen heute abend.«
»Das ist gut möglich«, entgegnete sie ohne zu zögern. »Ich bin mit meinem Freund im ›Tai Pak‹ verabredet.«
Großartig reagiert, dachte Cooper, aber schon im nächsten Moment bedauerte er, daß die reizende Chinesin, die ihn immer wieder an eine hübsche Puppe erinnerte, einen Freund hatte.
Die Straße führte nun über einen Höhenrücken hinweg an der Deep Water Bay vorbei zur Repulse Bay, in der Lo Sung die Hostess auf ihre Bitte hin vor einem im Kolonialstil erbauten Hotel absetzte. Sehr hastig und unfreundlich tat er das, und als er weiterfuhr, gab er Gordon Cooper eine Erklärung für sein plötzlich verändertes Verhalten.
»Ich gut bekannt bin im Repulse Bay Hotel. Für mich deshalb es war peinlich, ausgerechnet dort… Macht nicht«, beendete er das Thema und fragte: »Haben Sie gesehen ein paar hundert Meter vor Hotel das große Haus am Meer, welches hat rundherum hohe Mauer?«
»Gewiß!« antwortete Cooper. »Eine von außen etwas finster wirkende, aber wahrscheinlich herrliche Besitzung.«
»Ist Haus von Onkel Ah Boon. Ich vorhin nicht darauf aufmerksam gemacht, weil Mädchen nicht braucht wissen, wer ich bin. Verstehen?«
»Natürlich.«
»Und jetzt gleich wir kommen nach Stanley. Wohnung von Mister Sorokin ganz mächtig wunderschön. Nicht unten am Wasser, sondern oben mit weite Blick über Tai Tarn Bay.«
Trotz dieser Ankündigung war Cooper überrascht, als er Ivo Sorokins Haus erblickte. Es war ein im Winkel gebauter moderner Bungalow, doch weder sein imposantes Aussehen noch der ihn umgebende gepflegte Garten, dessen englischer Rasen ein Teppich zu sein schien, in dem rot, gelb, weiß und rosa blühende Büsche wie eine Dekoration standen, fesselten Cooper so sehr wie eine Gruppe von Menschen,
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