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Roter Lampion

Roter Lampion

Titel: Roter Lampion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. C. Bergius
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an sich vorüberziehen und kam zu dem Ergebnis, daß er einem Hirngespinst aufgesessen sei. Su-sus Verhalten bewies geradezu, daß sie keinen Wert auf seine Bekanntschaft legte, was sie jedoch hätte tun müssen, wenn sie im Auftrage von Lo Sung handelte. Und welches Interesse sollte der Neffe Ah Boons daran haben, ihn durch ein bildhübsches junges Mädchen bespitzeln zu lassen? Nein, der Inder hatte ihm einen verrückten Gedanken in den Kopf gesetzt, den er schnellstens wieder von sich schieben mußte.
    Wie hatte Rajan sich ausgedrückt? ›Ich wähle den Weg des geringsten Widerstandes!‹ Das werde auch ich tun, sagte sich Cooper und erwiderte dem Inder: »Vielleicht haben Sie recht. Ich werde Ihren Hinweis auf alle Fälle beherzigen.«
    Noch während er dies sagte, vergegenwärtigte er sich Su-sus hübsches Gesicht. Was immer sie auch gesagt hatte, sie war ohne Zweifel ein gescheites Mädchen. Margit Holstein verfügte freilich über ein ganz anderes Wissen, aber dafür war sie auch wesentlich schwieriger. Was hatte sie ihm in jener Nacht noch gesagt? ›Ich darf die Illusion, die mich in deine Arme führte, nicht als Wirklichkeit ansehen und die Wirklichkeit nicht als Illusion.‹
    Sie ist schon sehr kompliziert, dachte Cooper und wußte, daß verletzter Mannesstolz ihn dies denken ließ. Denn sein geistiges Auge sah nicht Margit Holstein, sondern Su-su, und in seinem Hirn tanzte das Wort ›Liebesspiele‹ die wahnsinnigsten Tänze.

11
     
     
     
    Die Sonne stand schon hoch am Himmel, und der schrille Morgengesang des metallisch glänzenden Eisvogels war bereits verstummt, als Gordon Cooper erwachte und den Boy Tim mit einer Teeschale in der Hand neben sich stehen sah. »Mister wollen Tee – können«, sage er und grinste über das ganze Gesicht.
    »Wollen«, erwiderte Cooper und richtete sich auf. »Mir scheint, es ist schon wieder mächtig heiß.«
    »Ai-ya, Mister. Sehr furchtbar mächtig heiß. Kleiderei nur Hose und Hemd. Macht nichts.«
    Immer wieder ›Macht nichts‹, dachte Cooper und trank den heißen, fade schmeckenden Jasmintee, den er seiner kühlenden Wirkung wegen schon in Kuala Lumpur schätzen gelernt hatte. Sein Blick fiel dabei durch das bis zum Boden hinabreichende Fenster auf die der Tai Tarn Bay vorgelagerten felsigen Inseln, und plötzlich kam ihm alles unwirklich vor. Es war wie in einem Traum, in dem man sich selbst sieht und nicht weiß, wo Wirklichkeit und Traum sich begegnen. Das beinahe runde Doppelbett, der Boy Tim, der Blick auf das Meer, Lo Sung, Su-su…
    Cooper reichte die Teeschale zurück und erhob sich. Er träumte nicht, sondern war von einer traumhaften Wirklichkeit umgeben.
    Später jedoch, als der Betel kauende Inder Rajan ihn auf dem nächsten Weg über den Mount Davis hinweg nach Hongkong fuhr, erschien ihm die Wirklichkeit erschreckend. Anstelle von Villen sah er nun in Schmutz erstarrende Mietskasernen, chinesische Friedhöfe, deren eigenartige, halbrunde Gräber ihm Schauer einjagten, Elendshütten, in die europäische Bauern nicht einmal ihr Vieh stecken würden, und schließlich wieder moderne Hochhäuser, blühende Bäume und saubere Straßen, die in das geschäftige Zentrum Victorias führten.
    Rajan stellte seinen Wagen auf einem in der Nähe des Bürohauses befindlichen Parkplatz ab und führte Cooper in ein Gebäude, dessen Marmorportal einen großzügigen Eindruck erweckte. Zwei Aufzüge brachten Angestellte und Besucher lautlos zu den achtzehn Etagen, und für Cooper war es merkwürdig, unversehens vor einem Bronzeschild mit dem Namen der Firma zu stehen, deren engster Mitarbeiter er durch eine Laune des Schicksals geworden war.
    Der Inder geleitete ihn zu einer älteren Chinesin, die ihn zurückhaltend begrüßte und telefonisch bei Ah Boon anmeldete, der ihn sogleich zu sich bat.
    Ah Boons Sekretärin öffnete eine gepolsterte Flügeltür, und Gordon Cooper trat in einen Raum, in dem er im ersten Moment nichts anderes als einen großen Schreibtisch sah, hinter dem ein kleines Männchen saß, das ihm mit gespitzten Lippen entgegenblickte. Die winzigen Augen des Chinesen hatten einen prüfenden Ausdruck. Auf der linken Wange seines schmalen Gesichtes befand sich ein Leberfleck, aus dem einige lange, borstige Haare herauswuchsen, die sorgsam gehütet wurden, weil ihnen nach chinesischer Auffassung eine magische Kraft innewohnt. Seine Hände waren schmal und wären schön wie die einer zarten Frau gewesen, wenn ihre wohl zwei Zentimeter überstehenden und

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