Roter Lampion
jetzt sollten wir Miß Margit erst einmal wieder hereinholen.«
»Ein guter Vorschlag«, erwiderte Cooper, der seine Erleichterung über Sorokins Wandel nicht zu verbergen suchte. »Zuvor möchte ich Sie jedoch begrüßen dürfen.«
Ober Ivo Sorokins eingefallenes Gesicht glitt ein erlöstes Lächeln. »Ich bin froh, Sie wieder hier zu haben«, entgegnete er und ergriff Coopers Hand wie ein Ertrinkender. »Bitte, nehmen Sie mir meine Unbeherrschtheiten nicht übel, sondern haben Sie den Mut, mich auf sie aufmerksam zu machen. Ich kenne mich selbst nicht mehr. Jede Kontrolle über mich habe ich verloren. Miß Margit gibt sich viel Mühe mit mir, aber manchmal ist es, als würde ich vom Teufel geritten.«
»Mit dem werde ich schon fertig, wenn Sie ihn nicht an Margit heranlassen«, entgegnete Cooper aufmunternd. »Sie sieht blaß aus und sollte ein paar Tage an die See fahren.«
Sorokins Augen leuchteten plötzlich. »Ich wußte, daß alles gut wird, wenn Sie wieder da sind. Holen Sie Miß Margit, und sagen Sie ihr, daß sie für einige Tage ausspannen soll. Sie müssen darauf bestehen, hören Sie!«
Gordon Cooper drückte ihm die Hand und ging auf den Balkon hinaus, wo Margit Holstein sich ängstlich nach ihm umwandte.
»Sei unbesorgt«, sagte er ihr. »Sich mit einem gebildeten Menschen zu streiten ist besser, als kluge Bücher zu lesen.«
»Seit wann beschäftigst du dich mit Tseng-kuang?« fragte sie ihn erstaunt.
Er grinste sie frech an. »Ich wußte gar nicht, daß du Su-su kennst.«
Die Ochsenfrösche quakten gegen das monotone Rezitativ der Zikaden an, als Margit Holstein und Gordon Cooper das Krankenhaus verließen und in das von Cooper zurückgehaltene Taxi einstiegen.
»Kein Wort mehr über Sorokin«, sagte er ihr, als sie Platz genommen hatten. »Ich möchte jetzt etwas über dich hören. Wie geht es dir?«
»Soweit ganz gut«, antwortete sie tapfer, obwohl sie sich erschöpft fühlte. »Ich komme mit meiner Arbeit großartig vorwärts, und so merkwürdig es klingen mag, meine Gespräche mit Mister Sorokin sind mir dabei unentbehrlich. Er kennt Ostasien eben aus eigener Anschauung und nicht nur von der Literatur her. Übrigens, du darfst ihm nichts übelnehmen. Er ist zur Zeit…«
»Kein Wort über Sorokin, habe ich gesagt!« unterbrach Gordon Cooper sie energisch. »Da ich genügend Phantasie besitze, um mir vorstellen zu können, wie es in ihm aussehen muß, habe ich das größte Verständnis für ihn. Im Augenblick bist du mir aber näher, und ich muß gestehen, daß du mir nicht gefällst. Du bist total fertig, und deine Blässe ist nicht vornehm, sondern beängstigend. Ich habe deshalb mit Mister Sorokin vereinbart, daß wir dich schnellstens für eine Woche an die See schicken.«
Sie drehte sich spontan zu Cooper hinüber. »Wann hast du mit ihm darüber gesprochen?«
»Als du auf dem Balkon warst!«
»Ich denke, da habt ihr einen Streit ausgefochten.«
»Haben wir auch. Zum Schluß versöhnten wir uns jedoch mit dem Versprechen, etwas für dich zu tun.«
Margit Holstein umarmte Gordon Cooper und gab ihm einen Kuß. »Du bist rührend.«
»Das akzeptiere ich gerne, weil es so schön klingt«, erwiderte er und holte tief Luft. »Aber du solltest nicht nur mir einen Kuß geben.«
Sie schaute ihn betroffen an. »Was willst du damit sagen?«
»Daß es für Ivo Sorokin nicht ganz leicht sein dürfte, zu hören, daß er der Mister und ich der Gordon bin.«
Sie blickte nachdenklich vor sich hin. »Ich habe selbst schon daran gedacht, das Verhältnis etwas aufzulockern, ich befürchte nur, daß er sich dann nichts mehr sagen läßt. Zur Zeit ist das jedoch dringend erforderlich. Er bedarf jetzt nicht des Zuspruches, sondern muß aus seinem Trauma herausgerissen werden.«
»Beschäftigst du dich neuerdings auch mit Psychologie?« fragte Cooper lachend.
Sie schüttelte den Kopf. »Das nicht. Ich habe mich in letzter Zeit aber viel mit der Akupunktur befaßt, dem chinesischen Verfahren zur Heilung von Krankheiten, bei dem goldene, silberne beziehungsweise kupferne Nadeln an genau festgelegten Punkten unter die Haut gestochen werden.«
Gordon Cooper sah sie entsetzt an. »Glaubst du etwa an solchen Hokuspokus?«
»Dumme Fragen sollte man eigentlich dumm beantworten«, entgegnete sie anzüglich. »Für eine Intelligenzbestie ist das natürlich nicht ganz leicht. Ich werde dir deshalb den Hokuspokus mit wenigen Worten erklären, damit du weißt, was mich zu jener Erkenntnis
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