Roter Lampion
Wohin er blickte, niemandem durfte er trauen. Eine einzige Ausnahme nur gab es: Margit Holstein. Das Herz schnürte sich ihm zusammen, wenn er sich an die Nacht zurückerinnerte, in der er sie gewonnen und verloren hatte. Wahrscheinlich war er zu rücksichtsvoll gewesen. Bei Su-su dachte er ja ebenfalls nicht an sich selbst.
Margit Holstein stand unmittelbar vor ihm und lachte ihn an. »Wo bist du mit deinen Gedanken?«
»Du wirst es nicht für möglich halten, aber ich beschäftige mich gerade mit dir«, erwiderte er ohne zu zögern. »Mit dir und deiner Reise, die es sicherlich erforderlich macht, daß du noch ein paar Stunden für dich hast, um notwendige Vorbereitungen zu treffen. Ich möchte deshalb vorschlagen, daß wir dich nach dem Lunch bis zum ›Five o’clock tea‹ entlassen, so daß wir«, er wandte sich an Sorokin, »noch ein paar Stunden in Ruhe miteinander sprechen können. Mit etwas Geschick dürfte Margit es ja wohl erreichen, daß Minstreß MacDonald sie hierherbringt und mich abholt, was Ihnen nicht unangenehm und mir bekömmlich sein dürfte.«
»Sie sind ein perfekter Arrangeur«, begeisterte sich Ivo Sorokin. »Nur eins verstehe ich nicht. Was kann an Mistreß MacDonald bekömmlich sein?«
»Ihr Whisky«, antwortete Cooper mit dem nasalen Laut eines hochherrschaftlichen Butlers.
Von diesem Augenblick an wurde nicht mehr über persönliche Dinge gesprochen. Margit Holstein schwärmte von Penang und freute sich auf das Wiedersehen mit der als Blumenparadies geltenden Insel, deren Kern, wie sie sagte, »so gesund ist, daß man dort Leitungswasser trinken und ohne Moskitonetz schlafen kann«.
Wie schon bei manch anderer Gelegenheit, so dauerte es auch diesmal nicht lange, bis Margit Holstein ein extremes Thema fand. Es klang noch ganz harmlos, als sie beim Essen, das sie mit Gordon Cooper an einem neben Ivo Sorokins Bett aufgestellten Tisch einnahm, auf das malaiische ›Pan‹ zu sprechen kam, das aus der Nuß der Areca-Palme gewonnen und von der einheimischen Bevölkerung zu allen Tageszeiten gekaut wird. Von dieser harmlosen Angewohnheit eine Volte zu den geistigen Niveau-Unterschieden in der östlichen Welt zu schlagen, war für sie ebensowenig ein Problem, wie von einer Betrachtung des Konfuzianismus zu der Ansicht zu gelangen, daß es die Tragik der Amerikaner sei, über ihre Bereitschaft zu materieller Hilfe nicht den Zugang zum wahren Verständnis der anders gelagerten Wesensart der asiatischen Völker zu finden.
»Ja, ja«, stimmte ihr Gordon Cooper lebhaft zu, als es ihm zu viel wurde. »Es ist schlimm, wenn man Kopfschmerzen und keine Tabletten hat.«
»Schlimmer ist es, wenn man denkt, ohne es gelernt zu haben«, entgegnete sie schlagfertig.
»Sorry«, erwiderte Cooper und bleckte die Zähne. »Man lernt es nicht, man muß es haben.«
Margit Holstein nickte anerkennend. »Eins zu null für dich. Die Hongkonger Luft scheint dir gut zu bekommen.«
»Den Eindruck habe ich auch«, pflichtete ihr Sorokin bei. »Aber ist das ein Wunder? Er bewohnt ein Traumhaus, während ich in einem weißen Käfig sitze.«
»Sie sprachen am Telefon davon, daß ich Ihnen hier ein Heim suchen soll«, beeilte sich Gordon Cooper zu erwidern.
»Erfreulich, daß Sie das nicht vergessen haben«, entgegnete der Waffenhändler boshaft.
Cooper wollte ihm Kontra geben, unterließ es jedoch, da er sah, daß Ivo Sorokin sich gequält zwang, etwas Nahrung zu sich zu nehmen.
Es entstand eine Pause, die auch Margit Holstein nicht zu füllen wußte.
»Ich habe Mister Hamilton bereits gebeten, sich für mich zu verwenden«, nahm Sorokin das Gespräch wieder auf, als er mühsam ein Stück Fleisch hinuntergekaut hatte.
»Den Amerikaner David Hamilton?« erkundigte sich Gordon Cooper überrascht.
»Ja. Er besuchte mich einige Tage nach Ihrer Abreise. Inzwischen war er schon ein paarmal hier. Er sprach von einer Dame, die unter Umständen bereit sei, ihr Haus für einige Monate zu vermieten. Reden Sie also mit ihm. Er deutete an, daß er am Spätnachmittag immer im Klubhaus erreicht werden könne.«
Margit Holstein erhob sich, um Sorokin beim Essen behilflich zu sein.
»Ich werde ihn gleich morgen aufsuchen«, entgegnete Cooper, der sich auf eine Begegnung mit dem Amerikaner freute. »Wie kam es zu seinem Besuch?«
Ivo Sorokin zuckte die Achseln. »Ich vermute, er wollte mich nochmals vor der Person warnen, über die er mit Ihnen gesprochen hatte.«
»Das klingt ja direkt geheimnisvoll«, warf Margit
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