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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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offenbar war sie gewillt, ihm zu glauben.
Vor allem, weil sie sich sofort auf ihrem neuen Berufsgebiet ausprobieren konnte.
»Spitzwegerichtee hilft, und in deinem Fall glaube ich, dass auch ein paar
Hypnosesitzungen ganz guttäten.«
    Killian blickte sie scheinbar unschuldig an, aber seine braunen
Augen blitzten. »Machst du die Schlange Kaa? Dann ist der Husten schon weg.«
    Bärbel atmete tief durch. »Ich weiß, du glaubst nicht an Hypnose,
für dich ist das Hokuspokus, aber es funktioniert.«
    »Immerhin ist es Hartmann gelungen, dich in Trance zu versetzen.«
Killian merkte, dass er zu weit gegangen war. Genau das hatte er vermeiden
wollen. Aber mit Bärbel war es schwer, gewaltfrei zu kommunizieren – einfach
weil es Spaß machte, sich zu befeuern und trotzdem zu mögen.
    Bärbel hatte den Stich wohl registriert, ließ ihn aber an sich
vorbeiziehen, ohne standesgemäß darauf zu reagieren. Sie wollte sich
aussprechen und kannte niemanden außer Killian, dem sie sich anvertrauen
mochte. »Thomas war in Ordnung, das war kein Scharlatan, da stand was
dahinter«, sagte sie ruhig und sachlich.
    »Seit wann kanntest du ihn?«
    »Drei Monate. Ich hätte gar nicht gedacht, dass zwischen mir und ihm
was laufen könnte. Das spielte sich alles auf rein akademischer Ebene ab.«
    »Akademische Ebene? Was ist das denn?«
    »Wir verstanden uns vom Kopf her, das ist akademische Ebene.«
    Killian schwieg und zog die Brauen hoch.
    »Jedenfalls hatte ich nicht damit gerechnet, dass er auf mich
abfuhr. Kapiert hatte ich das erst auf dem Seminar.«
    »Im Lavendelfeld.«
    Bärbel ließ auch diesen Stich ungesühnt.
    »Hast du dich verliebt?«
    Bärbel atmete schwer, Killian wartete geduldig auf Antwort.
    »Ich weiß es nicht. Es war gut, es hätte was werden können. Aber ich
verliebe mich nicht mehr so schnell, du siehst ja selbst, was aus mir geworden
ist. Es ist nicht leicht mit mir.«
    »War es nie …«, rutschte es Killian heraus.
    Bärbel überhörte sogar diese Spitze. »Mit Thomas, ja, das hätte ich
mir zugetraut … er erinnerte mich ein wenig an dich.«
    Killian schrak hoch. »Was? Da bin ich aber neugierig.«
    Bärbel wusste, dass sie mit dieser Replik die anderen Angriffe
Killians nicht nur gekontert, sondern sogar übertroffen hatte. Für einen
Individualisten wie Killian durfte es niemanden geben, der ihm ähnelte. Er war
früher schon ausgerastet, wenn jemand ihm gegenüber von einem Dritten erzählt
und dabei gesagt hatte: »Des isch ä Typ wie du.« Es konnte keine Typen wie ihn
geben, jedenfalls nicht in unmittelbarer Realität. Helden aus großen Romanen
und Filmen ließ er noch gelten, aber keine Normalsterblichen.
    Bärbel registrierte, wie Killian bereits sein Visier vors Gesicht
gezogen hatte und die Lanze spitzte. Jetzt lag es an ihr, wohin das Gespräch
driften sollte. »Rein äußerlich überhaupt nicht. Aber auch Thomas war besessen
von seiner Arbeit, hatte Ideen und hielt an ihnen fest, obwohl alle anderen ihn
für einen romantischen Spinner hielten. Er glaubte daran, den Hunger auf der
Welt beenden zu können.«
    Es entstand eine Pause, in der Killian tief Luft holte. Er wusste,
dass auch Bärbel in einer Lebenskrise steckte, aber dass es so arg gekommen
war, hatte er nicht erwartet.
    »Diese Beschreibung passt vielleicht auf mich, als ich zwanzig war.
Wenn meine Fotos auch nur einen Hauch von Romantik haben, erschieße ich mich
sofort. Es wird immer Hunger auf der Welt geben, und das nicht nur, weil andere
Menschen auf Kosten der Hungrigen die Fettsucht genießen, sondern weil Hunger
der Naturtrieb schlechthin ist, der die Spezies Mensch überleben lässt.«
    Bärbel starrte Killian mit aufgerissenen Augen an. »So ein zynischer
Darwinist bist du also geworden? Ich fasse es nicht!«
    »Und ich fasse es nicht, wie aus einer Verfechterin der Aufklärung
ein orientierungsloses Groupie werden konnte, das einem esoterischen Schamanen
nachläuft, nur weil in der Toskana der Lavendel blüht!«
    Killian wusste, dass das starker Tobak war, aber er ertrug es nicht,
wenn sonst klar denkende Köpfe sich den Illusionen der Metaphysik hingaben.
Jedenfalls war das seine Argumentation, um sich selbst die Rechtfertigung für
diese harte Bemerkung zu geben. Tatsächlich war er auch eifersüchtig. Nicht
unbedingt auf den Lavendelakt, aber doch auf den schwärmerischen Blick, den
Bärbel bekam, wenn sie über die heilsbringenden Visionen des Quacksalbers
sprach.
    Bärbel fuhr sich wieder runter. Sie atmete tief in den

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