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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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Bauch, so wie
Thomas es ihr für solche Situationen gezeigt hatte, und versuchte sich an einem
inneren Lächeln. Zu ihrer Überraschung funktionierte es.
    »Für dich ist es ein Quacksalber, aber was ist falsch daran, wenn
man allen Menschen sauberes Wasser zukommen lassen will?«
    »Sauberes Wasser?«, fragte Killian, und auch er zwang sich auf den
Boden der Vernunft zurück.
    »Ja, Thomas war in Bukarest, um dort das von den Kohlebergwerken
verschmutzte Wasser zu reinigen. Du glaubst nicht, was dort für eine Brühe aus
dem Wasserhahn kommt. Er hat mir Fotos gezeigt. Wie ungefilterter Schwarztee.
Thomas arbeitete mit der dortigen Universität zusammen. Dafür brauchte er
natürlich Geld. Bei uns wird an den Hochschulen schon gespart, aber dort haben
sie gar nichts. Und er hatte noch ein größeres Projekt in Angriff, das er
›Regen für alle‹ nannte. Und dafür brauchte er noch mehr Geld.«
    »Und du hast ihm welches gegeben. Wie viel?«, fragte Killian.
    Bärbel zögerte. »Insgesamt fast fünfzigtausend.«
    Killian pfiff laut durch die Zähne. »Nicht schlecht. Wusste gar
nicht, dass du so eine Sparerin bist?«
    »Das war nichts Gespartes, sondern ein Kredit, den ich aufgenommen
habe. Thomas hatte gesagt, dass es nur für sechs Monate sei, dann käme der
Cashflow aus Bukarest und er würde es zurückzahlen.«
    »Die Kohle für die Beseitigung der Kohle siehst du nicht mehr«,
entfuhr es Killian, und er grinste einen verbotenen Moment lang über sein
gelungenes Wortspiel.
    »Und das freut dich, ja?«, fragte Bärbel tief getroffen. Sie fühlte
sich Killian gegenüber wie eine Idiotin, die sich von einem Bauernfänger hatte
ausnehmen lassen und nun nicht mehr beweisen konnte, dass der Betrüger es
ehrlich mit ihr gemeint hatte.
    »Nein, natürlich nicht. Entschuldige. Gibt es noch andere Frauen …
ich meine andere Leute, die ihm Geld für das Projekt geliehen haben?«, fragte
Killian vorsichtig nach.
    »Du meinst, ob er noch mit anderen im Lavendelfeld war, richtig? Sag
doch, was du denkst.«
    »Nein, so meine ich es nicht.«
    »Meinst du wohl!«
    »Mein ich nicht!«
    »Silke Brenn«, beendete Bärbel schließlich das alberne Spiel.
    »Die Weinkönigin?«
    »Genau die. Ich habe sie mal zufällig in der Praxis angetroffen. Ich
bin in den Behandlungsraum, weil ich dort kopiertes Lehrmaterial für die Gruppe
abholen wollte. Silke glühte im Gesicht und nestelte sich die Bluse zurecht. Es
war wie in einer Telenovela. Schlecht gespielt und noch schlechter überspielt.«
    »Warst du eifersüchtig?«, fragte Killian.
    »Das war, bevor ich mit ihm im Lavendelfeld lag.«
    »Wärst du jetzt eifersüchtig?«
    »Was soll das?«, brauste Bärbel auf.
    »Es wäre ein Mordmotiv«, stellte Killian trocken fest.
    »Arschloch«, entglitt es ihr. Nun konnte Bärbel noch so tief in den
Bauch atmen, es nützte nichts. Sie kochte und verließ schnaubend das Atelier.
Es würde keinen Sinn haben, ihr hinterherzulaufen. Killian wusste nicht, wie er
sich entschuldigen sollte – und auch nicht, wofür. Er lauschte dem
anspringenden Motor von Bärbels Wagen und goss sich noch eine Tasse heißes
Wasser ein. Dabei dachte er an die dunkle Brühe, die aus den Wasserhähnen
Bukarests troff. Er wusste von dem ökologischen Raubbau, den das alte System
über Jahrzehnte in Rumänien betrieben hatte. Und der schräge Quacksalber begann
ihn zu interessieren. Killian hatte noch immer ein Faible für Gutmenschen;
vielleicht, weil er selbst mal als einer angetreten war. Er wollte wissen, ob
Hartmann tatsächlich so ein Guter gewesen war, als der er sich Bärbel
dargestellt hatte. Die Superguten starben meist als Märtyrer, aber nur weil sie
wussten, dass ihre Sache größer war als sie selbst. Allerdings erlitten
Märtyrer meist einen dramatischeren Tod, mindestens eine Kreuzigung; ein Okuliermesser
war da doch eher unspektakulär. Killian glaubte nicht an einen
Kaiserstuhl-Messias und nahm noch einen Schluck kalkhaltiges, aber kohlefreies
Wasser.
    Informationen über Swintha konnte er sich jetzt jedenfalls
abschminken. Aber Bärbel würde sich schon noch melden. Schließlich hatten sie
sich zwanzig Jahre nicht gekannt, was waren da sechs Wochen Funkstille?
    * * *
    Bärbels Finger krampften sich um das Lenkrad, als würden sie
Killians Hals würgen. Sie hatte versucht, sich ihm zu öffnen, ihm gegenüber etwas
auszusprechen, was sie sich selbst nicht eingestehen mochte. Und diesem
Drecksack fiel nichts Besseres ein, als ihr eine Ladung Schrot in

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