Roter Regen
gesellte sich neugierig hinzu. »Welcher Quacksalber?«, fragte
er, und sogleich wirbelte der Wurstfinger zu ihm herum: »Den, wo sie abgmurkst
hänn, z’ Bötzinge, letschte Woch. Heut Morge war Beerdigung, und seitdem
regnet’s nimmi …«
Wagner zog fragend die Brauen hoch. Er verstand den Zusammenhang
nicht.
»Der Spinner hät doch Geld gsammelt für sei Regemaschin … mei Frau
hätt au gspendet, fünfhundert Euro … weil’s Frühjahr doch so trocke war … und
der Dubel macht siebe Woche Dauerrege …«
»Des isch doch gar nit erwiese. Häsch du die Maschine schomol gsehe?
Die war doch noch gar nit fertig …«, meldete sich nun ein kleiner Dicker zu
Wort, der seine Hände in den Taschen eines abgewetzten Overalls vergrub und in
seinen Arbeitsschuhen ständig vor- und zurückwippte.
Wagner wusste nicht, was er davon halten sollte. Wie sollte jemand
Regen machen können? Das war doch absurd. Und trotzdem bemerkte er, wie ein
unbestimmter Groll auf den toten Hartmann in ihm aufstieg. Wenn dieser
Kurpfuscher tatsächlich damit experimentiert hatte, Regen zu machen, dann
könnte er für die vernichtende Weinlese verantwortlich sein. Und dann hätte
sogar Wagner ein Motiv gehabt, Hartmann mit einem Okuliermesser die Kehle
aufzuschlitzen. Wenn sich jemand erdreistete, das heilige Wetter beeinflussen
zu wollen, dann war schon allein der Gedanke Ketzerei. Vor allem, wenn der
Schuss nach hinten losging.
Er verabschiedete sich aus dem Kreis der gefrusteten Winzer und
schwang sich auf seinen Traktor. Von der Winzergenossenschaft waren es fünf
Kilometer bis nach Ihringen; dorthin musste der Traktor. Wagner hatte die
Parzelle, zwölfeinhalb Ar mit Silvaner-Trauben, von seiner verstorbenen
Großmutter geerbt. Besser gesagt, er hatte sie einem seiner Onkel abgekauft,
der keine Lust verspürte, sich dem Wein zu widmen. Mit Grauen dachte Wagner an
die Erbrangeleien zurück, die der Tod seiner Großmutter ausgelöst hatte. Große
Reichtümer hatte sie ohnehin nicht hinterlassen, aber die Geschwister seines
Vaters stritten sich um buchstäblich jede Zwetschge. Wagners Vater, dem das
alles zu viel geworden war, hatte sich kurzzeitig mit einem Herzinfarkt ins
Reha-Zentrum nach Bad Krozingen zurückgezogen, sodass Wagner dessen Part hatte übernehmen
müssen.
Mit viel Geschick und schwarzer Pädagogik war es ihm dann gelungen,
die einzelnen Parteien zufriedenzustellen. Auch sie wären in der Lage gewesen,
den anderen zu töten, sogar für eine Zwetschge in Südlage. Wie viele Gründe
boten dann sieben Wochen Dauerregen?
Wagner nestelte in der Innentasche seiner Jacke herum, brachte sein
Handy hervor und wählte Belledin an. Erfolglos.
* * *
Belledin steuerte seinen Wagen durch die aufgewühlten Schlaglöcher,
die den Asphalt der Rebstraßen aufgerissen hatten. Der Audi lag einfach zu tief
für solches Gelände. Hier bräuchte man einen Jeep. Aber Belledin wollte keinen
Jeep. Vom Herzen her war er ein Großstadtcop, auch wenn er es nie weiter als
bis Freiburg gebracht hatte.
Er sah bereits den Hof der Brenns vor sich und fuhr langsam darauf
zu. Ein paar Erntehelfer mühten sich damit, große Bottiche zu schrubben.
Belledin parkte den Wagen, stieg aus und näherte sich den Männern. Er zog
seinen Ausweis, weil er wusste, dass die Arbeiter illegal aus irgendwelchen Nicht- EU -Staaten angeworben worden waren. Es
kümmerte ihn nicht, dafür war er nicht zuständig. Aber er genoss den Moment der
Macht und die Angst in den Augen.
»Ich suche Margit Brenn. Könnt ihr mir sagen, wo ich sie finde?«
Belledin duzte die beiden unwillkürlich. Es war noch nicht einmal bewusst, aber
der offensichtliche Standesunterschied ließ die Möglichkeit des Siezens gar
nicht erst aufkommen.
»Ah, Margit. Chefin in Reben«, radebrechte der Ältere der beiden
Männer. »Ganz oben, im Berg.«
»Nur mit Traktor geht hoch«, ergänzte der andere.
Belledin blickte in die Richtung, in die die beiden zeigten. Dann
überlegte er, ob er es mit dem Audi wagen sollte oder ob er den Weg zu Fuß
antreten sollte. Es passte ihm nicht, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen.
Erst hatte sie ihn versetzt, dann war sie nicht da. Belledin fühlte sich
herausgefordert.
»Und Herbert Brenn, ist der da?«
Der Ältere schüttelte den Kopf. »Mit Auto weg. Sie später kommen«,
lächelte er freundlich.
Das hatte Belledin gerade noch gefehlt, dass ihm ausgerechnet ein
illegaler Arbeiter noch riet, was er zu tun hatte. Belledin ließ die beiden
stehen und
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