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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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anhaftete, mit
Noblesse zu veredeln – das war sie ihrer Mutter schuldig. Und es war kein Joch
für sie, sondern sie ging darin auf. Silke lebte den Hochglanz und verlieh ihm
dabei eine Dimension, die dem kitschigsten Sonnenuntergang noch Wahrhaftigkeit
abringen konnte. Deswegen war es auch so einfach für Claudio gewesen,
attraktive Fotos zu schießen. Sie war die reifste Knospe, die der Frühling zu
bieten hatte, und jeder wartete mit Ungeduld darauf, dass sie endlich barst.
    Aber es war nicht Andreas, der künftige Bräutigam, der in den Genuss
kam, Silke zu pflücken, sondern der Windhund Hartmann. Zwei Hypnosesitzungen
hatten gereicht, um Silke in ihrer Gewissheit zu bestärken, dass sie zur
Fürstin des Kaiserstuhls bestimmt war. Sie selbst war es letztlich gewesen, die
Hartmann mitten in einer Sitzung die Kleider vom Leib gerissen und ihn sich mit
der Herrschsucht einer Gottesanbeterin untertan gemacht hatte. Hartmann hatte
sich nicht dagegen gewehrt und die Explosion des Vulkans genossen. Allerdings
war die Glut, mit der Silke sich ihn einverleibte, selbst für ihn zu viel
gewesen, sodass es ihm nicht mehr möglich gewesen war, sich zu kontrollieren.
Er hatte seinen Samen auf den fruchtbarsten Acker der Region gefeuert, und es
brauchte keinen Weisen, um zu deuten, dass dieser Schuss gesessen hatte.
    Das war vor vier Monaten gewesen. Noch bevor der große Regen
begonnen hatte. Zu Anfang war Silke schockiert darüber gewesen, dass sie schwanger
war, dann aber wuchs das Glück in ihr mit jedem Tag. Vor allem, weil sie
Hartmann liebte und er ihr versprach, sie sei für Größeres bestimmt. Welcher
Mensch hört so etwas nicht gerne? Weinkönigin und Klatschspalten-Fürstin des
Kaiserstuhls war eine Sache, aber ein Palast mit Dienern und goldbestickten
Kissen in Tripolis eine andere. Dorthin wollte Hartmann mit ihr, sobald das
Regenprojekt richtig durchstarten würde. Er hatte bereits erste Kontakte mit
Libyen geknüpft. Man war dort sehr gespannt auf seine Fortschritte. Vor einer
Woche wollte er nach Bukarest, um die Maschine in ihrer letzten Testphase zu
überprüfen. Dafür hatte er noch mal einen Batzen Geld gebraucht. Die
rumänischen Partner, die das Projekt mitfinanzierten und sich ebenfalls einen großen
Gewinn durch das Regenmachen versprachen, wollten von Hartmann aber auch noch
einmal Bares sehen. Sie wollten nicht die Einzigen sein, die hartes Geld in das
Experiment steckten. Würde der Versuch diesmal wieder scheitern, dann würde der
erwartete Geldregen in der Dürre versickern; dieses Risiko wollten die Rumänen
nicht allein tragen. Aber Hartmann war sich sicher gewesen, dass es jetzt
funktionieren würde.
    Der Schnitt mit dem Okuliermesser, der seine Kehle tranchierte,
hatte dieser Hoffnung ein jähes Ende gesetzt.
    Und damit auch Silkes Höhenflug. Entweder sie würde das Kind, das
sie in sich trug, heimlich abtreiben lassen oder sie müsste es Andreas
unterjubeln. Aber sie war zu beidem nicht in der Lage. Sie liebte Hartmann noch
immer. Er war der einzige Mensch nach ihrer Mutter gewesen, der in ihr eine
Kleopatra gesehen hatte. All die anderen Dumpfbacken um sie herum waren zu
beschränkt, um in größeren Dimensionen zu denken. Die Menschen in der Region
lebten vom Wetter. Täglich wurde es diskutiert, analysiert, beschimpft und
bejubelt. Aber Hartmann wäre in der Lage gewesen, das Wetter an die Kette zu
legen. Er war kein Knecht des Lebens, sondern ein Herrscher. Und Silke war
seine Königin, ob er nun tot war oder nicht. Sie trug den Thronfolger in sich,
sie konnte und würde nicht abtreiben. Und ihn schon gar nicht dem debilen
Andreas zuschreiben. Mochte er zwar der Erbe des größten Winzergutes sein, er
war ein ewiger Knecht.
    Mit diesen Gedanken unwiderstehlicher Hybris baute sich Silke
innerlich auf, blickte zu Feruggio und sagte: »Wofür wirst du bezahlt? Los,
mach Fotos.« Ohne den irritierten Fotografen anzusehen, stieg sie wieder auf
den Hocker und legte eine Aura um sich, die Feruggio zwang, eine Blende
runterzufahren.
    * * *
    Das Cordon bleu lag Belledin mahnend im Magen. Er wusste von Biggi,
dass die Mischung aus Fett und schlechten Kohlenhydraten vom körpereigenen
Fettdepot dankend in Empfang genommen wurde. Und seinem Magen schien das
panierte Käse-Fleisch-Kombinat keine Ruhe zu lassen. Wiederholt stieß er auf.
Belledin fühlte sich wie ein Wrack. Erst der Kreuzbandriss, dann die
Halsschmerzen und nun die Rebellion seines letzten Freundes. Wenn der Magen nun
auch noch

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