Roter Regen
schlappmachte, würde er sich aufhängen, das schwor er sich, als sich
erneut ein Rülpser durch die Speiseröhre nach oben arbeitete.
Er verfluchte Biggi, die es geschafft hatte, sich ihren Speck mit
Disziplin, scheinbarer Leichtigkeit und den Hypnosetricks des toten
Quacksalbers abzuhungern, und hoffte insgeheim auf den Jojo-Effekt. Vielleicht hatte
auch ein übergewichtiger Ehemann den Heilpraktiker aus Frust ermordet? Belledin
grunzte in sich hinein, der Gedanke gefiel ihm, auch wenn er absurd war. Er
kramte im Schreibtisch von Wagner, fand eine Flasche Mirabellenschnaps und
blies zum Angriff gegen das rebellierende Cordon bleu.
Der Tropfen verschaffte sowohl dem Magen als auch Belledins
entzündeter Kehle sofortige Erleichterung. Belledin blickte auf das Glas und
die Flasche, als würde er gleich einen Werbeslogan auf das Gesöff in die Kamera
sprechen. Er behielt den Gedanken aber für sich und verstaute Glas und Flasche
wieder in Wagners Minibar.
Jemand klopfte an der Tür, obwohl sie offen stand. Es war die junge
Frau, die gestern wie von der Tarantel gestochen das Gasthaus Krone verlassen
hatte; er hatte sie vorladen lassen.
»Anke Prückner«, sagte sie zögerlich und nickte zurückhaltend.
»Hauptkommissar Belledin«, stellte er sich vor. »Setzen Sie sich
doch bitte. Kaffee? Tee? Wir haben einen Automaten«, fügte er zuvorkommend an.
»Danke, nein. Vielleicht ein stilles Wasser?«, lächelte Anke
Prückner, und ihre Zähne blitzten strahlend weiß unter dem dunkelroten, leicht
ins Bräunliche changierenden Lippenstift. Ihr Blick aus großen blauen Augen
irrte in dem unaufgeräumten Büro umher, nach irgendeinem Halt suchend.
»Ich habe nur mit Kohlensäure oder Leitungswasser.«
»Dann nehme ich Leitungswasser.«
Belledin griff sich ein Glas aus Wagners Minibar und verließ das
Büro, um es auf der Toilette mit Wasser zu füllen.
Während der Wasserstrahl in das Glas schoss, erinnerte sich Belledin
an die Fotografien der Kristalle, die in Hartmanns Praxis an der Wand hingen.
Und er erinnerte sich auch daran, dass der Wasserkristall aus der Leitung am
kraftlosesten wirkte.
»Ist leider nicht aus der Großglocknerquelle und auch kein roter
Regen«, sagte er, als er Anke Prückner das Glas reichte. Doch der Versuch, ihr
damit eine verdächtige Regung zu entlocken, lief ins Leere.
Anke Prückner zuckte mit den Schultern. »Ich trinke immer aus der
Leitung, das ist am günstigsten.«
»Aber es ist energielos«, versuchte Belledin weiter in Richtung
Wasserkristalle zu lenken.
»Es gibt einen ganz einfachen Trick, um dem Wasser mehr Energie
zuzuführen«, kam sie aus der Reserve. »Haben Sie eine leere Flasche?«
Belledin blickte kurz etwas irritiert, ließ sich aber auf das Spiel
ein. »Moment.« Er öffnete diesmal die rechte Seite von Wagners Schreibtisch und
kramte hinter zwei dunkelgrauen Ordnern eine leere Flasche hervor, die er ihr
reichte.
Anke Prückner gab Belledin das Glas. »Nehmen Sie einen Schluck und
behalten Sie ihn im Mund. Schmecken Sie ihn ab, und erst dann schlucken Sie
ihn.«
Belledin tat wie befohlen und kam sich dabei albern vor. Wenn ihn
nun Wagner oder irgendein anderer Winzer sähe, sie würden ihn steinigen oder
aus dem Dorf treiben. Aber Anke Prückner hatte das kleine Experiment mit einem
so charmanten Lächeln vollzogen, dass Belledin dafür auch andere Narrheiten
begehen würde. Er musste aufpassen, dass ihm bei dieser attraktiven Frau das
Verhör nicht entglitt. Er spülte das Wasser in seinem Mund, als handle es sich
um einen Sasbacher Spätburgunder, und gewann plötzlich doch Freude daran. Er
begann sogar zu übertreiben, wiegte den Kopf unentschieden nach rechts und nach
links, zog einen Entenschnabel, gurgelte, schnalzte mit geschlossenem Mund,
erst dann schluckte er das Wasser. Es stach ein wenig, als es die geschwollene
Mandel passierte.
Anke Prückner war während seiner Darbietungen in leichtes Schmunzeln
geraten, jetzt mühte sie sich wieder um Seriosität. Sie nahm Belledin das Glas aus
der Hand und goss es in die Flasche. Ihre Hand war ruhig, kein Tropfen ging
daneben. Sie drückte den Daumen auf die Flaschenöffnung und schüttelte die
Flüssigkeit darin einige Male heftig. Dann schwang sie die Flasche im Kreis,
sodass, der Zentrifugalkraft folgend, auch das Wasser darin sich mitdrehen
musste. Sie kippte die Flasche und drehte sie weiter, sodass das Wasser sich
wirbelnd ins Glas ergoss. Sie reichte Belledin das Glas erneut.
»Probieren Sie
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