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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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war sich
schon lange nicht mehr so unbeholfen vorgekommen. Er versuchte, sich den Hals
frei zu husten, und es krachte, als hätte man im Steinbruch Granit gesprengt,
doch statt bejahender Worte spürte Belledin nur einen Klumpen im Mund, von dem
er nicht wusste, wohin damit. Es hätte durchaus peinlich werden können, aber
Anke entschärfte die Situation souverän mit einem leisen Lacher und einem
unerwartet herzlichen Blick.
    »Ich werte das als Zusage«, sagte sie. Dann wandte sie sich von
Belledin ab und ging zum Ladentisch, hinter dem Bader die übrig gebliebenen
Exemplare ihres Buches wieder in Kartons verstaute.
    »Und, haben wir etwas verkauft?«, fragte sie neugierig, aber nicht
zu geschäftig. Sie hoffte wohl eher für den Buchhändler als für sich.
    »Könnte besser sein. Aber wichtiger als der Verkauf heute Abend wird
die Mundpropaganda sein. Da weiß ich Ende nächster Woche dann mehr. Hättest du
nicht Lust, auch an Halloween eine Lesung zu machen?«
    Anke schüttelte den Kopf. »Lust schon, aber ich kann nicht. An
Halloween muss ich in Transsilvanien sein«, sagte sie spitzbübisch und
entlockte damit auch Bader ein Lächeln. Es war sein erstes und letztes an dem
Abend. »Überweist du mir mein kleines Honorar bis in spätestens zwei Wochen?«,
wechselte sie das Thema.
    Bader nickte stoisch, seine Mundwinkel waren wieder eingefroren.
    »Na dann, bis zum nächsten Mal.«
    Bader wiederholte sein Nicken; Belledin schien es fast, als wüchse
ihm dabei ein Buckel und eines seiner grauen Augen würde anschwellen und
blutrot pochen.
    Anke sprang flink die drei Stufen zur Ladentür hinauf und öffnete
sie. Dann blickte sie sich zu Belledin um, der sich noch nicht ganz aus den
Zwischenwelten befreit hatte. Endlich gab er sich einen Ruck und verließ das
Schattenreich des Grottenhüters Bader.
    * * *
    »Breakthrough« von Eddi Daniels drehte sich auf Killians
Plattenteller. Er lauschte den schmiegsamen, flüssigen und vor Ideenreichtum
übersprudelnden Linien der Bassklarinette, während er auf dem Sofa liegend den
Dunst einer selbst gedrehten Zigarette inhalierte, die Bärbel zurückgelassen
hatte.
    Er ertappte sich dabei, wie er hin und wieder in die Zigarette
blies, anstatt daran zu ziehen. Aber die Musik von Eddi Daniels ließ ihm keine
andere Wahl. Killian müsste sein Instrument selbst mal wieder auspacken. Er
hatte zuletzt in Tel Aviv gespielt, mit Moshe und zwei Jazzmusikern, die man
überall auf der Welt antreffen konnte, wenn man wusste, wo man zu suchen hatte.
Auch in Freiburg würde Killian genügend Musiker zum Jammen finden, aber wenn er
hier die Klarinette auspackte, wollte er für sich allein sein. Was er nicht
über das Fotografieren ausdrücken konnte, kanalisierte er durch die Musik. Und
in Baden konnte er das nur im stillen Kämmerlein. Er fürchtete sich davor, hier
sein Innerstes zu zeigen, noch immer.
    Eine wunderbare Bebop-Sequenz ließ ihn für einen Moment die lange
Asche, die sich am Ende der Zigarette gebildet hatte, vergessen, und er schloss
die Augen. »Die Klarinette hat den größten Tonumfang aller Holzblasinstrumente.
Sie hat den wärmsten Klang. Sie ist das am meisten vernachlässigte Instrument
seit der Bebop-Ära, vor allem weil sie eines der am schwersten zu spielenden
ist.« Dieses Statement von Eddi Daniels hatte sich Killian gemerkt, und es
hatte ihm die Kraft gegeben, diesem sonderbaren, auf den ersten Blick uncoolen
und altmodischen Swingkolben treu zu bleiben.
    Ein Stückchen Glut fiel auf sein T-Shirt, brannte ein kleines Loch
in den schwarzen Stoff und verschmorte ihm einige Brusthaare. Killian
verfluchte den Schmerz, aber er riss ihn aus seinen Gedanken und machte ihm
bewusst, dass er nun nicht zur Klarinette greifen würde. Ebenso zielstrebig,
wie sich die Glut durch den Stoff gefressen hatte, so tickte auch die Zeit gegen
Margit.
    Er wusste zwar nicht, wie weit Belledin bereits mit Margit war; er
wusste auch nicht, ob sie Dr. Merz getötet hatte, den er nicht einmal kannte.
Noch weniger konnte er wissen, wer Hartmann und Christa Faller auf dem Gewissen
hatte – aber er glaubte einfach nicht daran, dass es Margit gewesen war. Er
bildete sich ein, seine alte Feindin zu kennen; und sie schien ihm bis auf eine
schwere Erkältung sehr aufgeräumt gewesen zu sein, als sie sich heute
begegneten. Ihre Sorge schien den verheerenden Reben zu gelten, ein auffälliges
Verhalten als Vorbote der mörderischen Tat konnte Killian rückblickend nicht
erkennen.
    Es war gut

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