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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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Swintha
amüsierte, war schön, dass Marcel Lupescu mit einem Mal ein Thema war, dagegen
alles andere als lustig. Außerdem irritierte ihn die gigantische Summe von
zwanzig Millionen Euro. Die konnte Hartmann unmöglich nur von badischen
Hausfrauen gesammelt haben.
    Marcel Lupescu durfte mittlerweile Mitte sechzig sein und galt als einer
der windigsten Schattenmänner der Balkanachse. Mit dreißig Jahren war er ein
wichtiger Mann innerhalb der Securitate, der inneren Sicherheit des Despoten
Ceausescu. Mehrere Geheimdienste hatten Lupescu als Doppelagenten anwerben
wollen, waren aber kalt abgeblitzt. Lupescu hatte an seine Chancen innerhalb
der Diktatur geglaubt und auf die Tyrannei gesetzt. Er war Scherge, Folterer
und gewiefter Schnüffler gewesen, ein Meister der Verstellung und Verkleidung.
Da seine Mutter aus Siebenbürgen kam, sprach er ein vorzügliches Deutsch. Diese
Abstammung hinderte ihn aber nicht, unzählige Siebenbürgen zu verraten und zu
martern.
    Sogar bis nach Deutschland hatte er einige Abtrünnige verfolgt, um
ihnen das Leben zur Hölle zu machen oder es ihnen gar ganz zu nehmen, darunter
waren Sportler, Dissidenten, aber auch Schriftsteller und Wissenschaftler. Wer
seine Talente nicht in den Dienst des rumänischen Staates stellen wollte, hatte
zu leiden oder zu sterben.
    Aber es war nicht die reine Staatstreue, die Lupescu dazu bewogen
hatte, nicht mit den demokratischen Mächten zu paktieren, sondern die schlichte
Rechenaufgabe, wo und wie er seine Fähigkeiten am effektivsten einsetzen
konnte. Hätte er sich zu einem Doppelspiel hinreißen lassen, hätte man ihn in
der Hand gehabt. Und dieser Gedanke war Lupescu zuwider gewesen. Wenn er
doppelt spielte, dann für sich selbst und nach seinen eigenen Regeln. So hatte
er sich etliche Sümmchen, die er sich nach und nach bei Verrätern und
Flüchtlingen erbeutet hatte, immer wieder in die Schweiz transferiert.
    Im Gegensatz zu vielen Kollegen, die nach dem Sturz Ceausescus
aufgeflogen waren, war es Lupescu gelungen, elegant in die neue Staatsform
hinüberzugleiten. Zwar zog er sich aus dem Staatsapparat in die freie
Wirtschaft zurück, operierte dort aber weiter wie bislang. Er verkaufte
ehemalige Kollegen an den Westen, damit der ein paar Vorzeigeschuldige hatte,
und kurbelte den Drogen- und Waffenhandel an. Es gab kaum ein schmutziges
Geschäft in Rumänien, das nicht durch Lupescus schwarze Bücher lief. Nur
nachweisen konnte man ihm nie etwas. Lupescus Weggefährten waren nach und nach
Unfällen oder Krankheiten zum Opfer gefallen, andere hüteten sich davor, ihn zu
verpfeifen, weil sie selbst zu viel Dreck am Stecken hatten.
    Hartmann hatte also sicher nicht Lupescu gefunden, sondern es war
eher anders herum gewesen. Vermutlich war Lupescu bereits das
Wasserreinigungsprojekt mit der Bukarester Uni nicht entgangen. Sollte Hartmann
tatsächlich mit Lupescus Hilfe zwanzig Millionen Euro zusammengetragen haben,
war Lupescu entweder nur auf das Geld aus, oder er witterte ein noch größeres
Geschäft mit der Regenmaschine. Allerdings wunderte sich Killian, warum Lupescu
laut Moshe keinen Zugang zu den gemeinsamen Geldern haben sollte. Hatte sich
Hartmann damit eine Lebensversicherung zulegen wollen? Bluffte Lupescu und
rührte es nicht an, weil er vermutete, dass das Depot bereits überwacht wurde?
Oder schwindelte Moshe?
    Lupescu war ein internationaler Fisch, da waren kleine Unwahrheiten
von Moshes Seite legitim. Selbst Killian, dem er doch vertraute, erfuhr nicht
immer alles.
    Vielleicht wollte Lupescu mit dem wissenschaftlichen Regenprojekt
lediglich Gelder waschen? Das wäre die einfachste Lösung. Drogen- oder
Waffengelder in ein soziales Forschungsprojekt, dazu Sammelquittungen, an die
man noch eine Null dranhängt, und schon hatte man sauberes Geld. Die Gelder
konnten von Spendern aus der ganzen Welt kommen. Wer wollte all deren Existenz
überprüfen?
    Hartmann stand kurz vor der Abreise nach Bukarest, als ihm jemand
die Kehle aufschlitzte. Was wollte er dort? Lupescu treffen? Das Projekt
vorantreiben? Oder gab es gar einen Konflikt mit Lupescu? Warum sonst hatte
Lupescu ihn umbringen lassen? Denn das hatte er, so viel stand für Killian
fest. Warum hatte er ihn nicht weitersammeln lassen, um noch mehr Geld in der
Regenanlage zu waschen? Vielleicht hatte Hartmann einen großen Versuch starten
wollen, der einiges von dem angelegten Geld verpulvert hätte, oder Lupescu
selbst war in Geldnot und brauchte dringend Cashflow. In beiden Fällen

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