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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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gestalteten, in den die Hörer gezogen
wurden. Hin und wieder blitzte sie mit einem überraschenden Augenaufschlag ins
Publikum, das dann im blauen Wasser ihrer Iris ersoff.
    Für Belledin hätte sie auch das Telefonbuch lesen können, in jeder
Zahl hätte er eine Liebkosung gehört, die nur ihm gewidmet war. Wäre Belledin
ein Kenner gewesen, er hätte gemerkt, dass es Maria Bava vor allem um den
Rhythmus und den Sound ihrer Sprache ging. Die Story war ihr einerlei. Ein
Kenner wusste das zu schätzen, Belledin aber wollte wissen, ob der tölpelhafte
Held am Ende die Gräfin endlich in Ketten legte und sie ordentlich durchbumste.
    Aber das Ende wurde nicht verraten. An einer wunderschönen
poetischen Stelle, die ihn an Boccaccios »Decamerone« erinnerte, klappte Maria
Bava das Buch zu, lächelte mehr mit den Augen als mit dem Mund ins Publikum und
bedankte sich mit einem leichten Nicken. Die Zuhörer johlten und drängten sich
anschließend um sie und begehrten handsignierte Exemplare des Werkes.
    Belledin blieb auf seinem Holzstuhl sitzen und beobachtete das
Schauspiel irritiert.
    »Wollen Sie auch eins kaufen?« Es war Bader, der Belledin von der
Seite anraunzte und bereits die Klappstühle wieder einsammelte. Belledin
glaubte in ihm den debilen Zahnarzt zu erkennen, dem die Sklavinnen am Ende des
zweiten Teils bei vollem Bewusstsein die Hoden in einer Maronenpfanne rösteten,
und musste laut lachen.
    Bader blickte ihn irritiert an.
    »Entschuldigen Sie, ich war noch ganz in der Geschichte. Ja, ja,
natürlich nehme ich ein Exemplar.«
    »Mit Signatur?«
    »Selbstverständlich, unbedingt.«
    Bader nickte stumm und trottete mit den ersten zusammengeklappten
Stühlen davon. Belledin blieb weiterhin sitzen und wartete, bis Maria Bava die
letzten Exemplare signiert hatte.
    Erst jetzt blickte sie Belledin an. Und wieder ertrank er in ihrem
Blau, dass er vor Sauerstoffmangel beinahe lila anlief, und konnte nur nicken.
Maria Bava schien zu schmunzeln, aber vielleicht hatte er sich das auch bloß
gewünscht. Dann stand sie auf und verschwand in der Kammer, aus der Bader
wieder auftauchte, um weitere Stühle abzuräumen.
    Belledin gestand sich ein, dass er sich in eine Frau verliebt hatte,
die er zu einem Fall verhören und als Profi noch immer unter Verdacht haben
musste, zwei Menschen getötet zu haben. Dass Margit Brenn mit der Tatwaffe in
der Hand in der Praxis des erschossenen Dr. Merz gefasst wurde, war eine Sache;
die Hoffnung, dass sie auch die beiden anderen Morde begangen hatte, eine
völlig andere.
    Belledins Euphorie war mittlerweile verpufft, seine Professionalität
zurückgekehrt. Nur weil er Dr. Merz hatte verhören wollen, hieß das noch lange
nicht, dass der etwas mit Hartmann zu schaffen gehabt hatte. Und noch weniger
durfte er daraus schließen, dass Margit die Mörderin von Hartmann und Christa
Faller war. Und um noch genauer zu sein: Er musste es sich sogar untersagen,
Margit als Mörderin von Dr. Merz zu sehen, immerhin hatte er sie noch nicht
einmal vernommen. Sie hatte die Waffe in der Hand, gut, das reichte, um sie
festzunehmen; aber überführt war sie erst, wenn ihr nachgewiesen werden konnte,
dass sie auch daraus geschossen hatte. Oder wenn sie gestand. Er durfte sich
nicht auf glückliche Fügungen verlassen, sondern musste nüchtern
weiterermitteln.
    Anke Prückner tauchte aus der Kammer auf, in der Maria Bava
verschwunden war. Belledin war erleichtert. Aus dem Vamp war wieder eine
hübsche, aber unscheinbare blasse Frau geworden.
    Belledin suchte nach Worten. Er wollte charmant sein, aber nicht
plump, er wollte Maria Bava schmeicheln, hatte aber Anke Prückner vor sich, und
er war privat hier, sein ursprünglicher Anlass, die Lesung zu besuchen, war
aber dienstlich gewesen. Und er war es auch nach seinem inneren Appell zur
Vernunft wieder geworden, aber Belledin wollte es nicht wahrhaben. Es war für
ihn unmöglich, den richtigen Ton für diese Situation zu treffen. Sein
entzündeter Hals schwoll noch mehr an und verhinderte vehement, dass sich ein
Laut an Belledins Stimmritzen vorbeischlich.
    Dafür lächelte Anke Prückner keck, und Belledin stellte mit Entzücken
fest, dass sie den blutroten Lippenstift von Maria Bava noch immer trug.
    »Wollen wir noch irgendwo etwas trinken gehen?«, fragte sie ohne
Umschweife und behielt ihr einladendes Lächeln bei.
    Belledin ertappte sich dabei, wie er auf ihre obere Zahnreihe
schielte, um zu kontrollieren, ob die Eckzähne noch immer lauerten. Er

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