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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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aus der Tasche gezogen hatte.
    »Tut mir leid, aber des sin nun mal die unangenehme Seite vu mienem
Job«, sagte Belledin und verfiel dabei wieder in Dialekt.
    »Wärsch Winzer worre, denn müschtsch jetzt nit alte Freund
verdächtige.«
    Belledin nickte wortlos, dann erhob er sich von dem Küchenstuhl.
    »Also dann, schöne Sonntag noch. Und dank schön für dä Kuche,
Helga.«
    Helga rang sich ein Lächeln ab und öffnete den Küchenschrank. Sie
holte zwei Dosen hervor und streckte sie Belledin hin: »Schwarzwurscht, ganz
frisch, vu letschter Woch. Ich weiß doch, wie gern du die issesch.«
    »Danke«, sagte Belledin und nahm die beiden Dosen entgegen. Dann
nickte er Bühler zu und stahl sich aus der Küche. Bühler nickte zurück und
blieb am Tisch sitzen, bis Belledin aus der Küche verschwunden war.
    Belledin hielt auf der Holztreppe inne und blickte in den Hof
hinunter. Die Sonne schien nun nicht mehr hinein, ein schattiges Grau durchzog
den Hof. Belledin stieg die knarzige Treppe hinunter und ging am Zwinger
vorbei, in dem Asta die Vogelscheuche bereits zerlegt hatte.
    Bühler würde gleich wieder an den alten Traktor gehen, Helga bereits
das Abendessen vorbereiten. Und Belledin wollte noch immer nicht nach Hause.
Zum Glück hatte Bärbel Engler angerufen. Vielleicht war das fehlende Foto aus
der Praxis ein Hinweis. Egal, in welche Richtung. Im Moment wäre es ihm sogar
am liebsten gewesen, das Foto mit dem Wasserkristall wäre der Beweis für eine
Weltverschwörung. Dann wäre er den Fall los und müsste nicht mehr in die Höfe
seiner Kindheit dringen, aus denen er doch wenigstens bis ins Neubaugebiet
entflohen war.
    Belledin versuchte seine Gedanken zu ordnen. Im Auto gelang ihm das
immer am besten. Die vorbeiziehende Landschaft gab ihm die Ruhe und
Konzentration, die er benötigte. Im Normalfall zumindest. Aber gerade war
überhaupt nichts normal. Immer wieder landeten seine Gedanken bei Anke
Prückner. Er war befangen, und er war sich dessen bewusst. Er hätte den Fall
abgeben müssen, und wenn auch bloß an Wagner.
    Oder er löste den Fall schnell und endgültig. Er hatte noch immer
Margit Brenn. Was sprach dagegen, sie doch heute Abend schon zu vernehmen?
Danach könnte er immer noch bei Bärbel vorbeifahren und das Foto abholen.
    Belledin bog auf den Parkplatz des Sauerbruch-Krankenhauses ein.
Auch er war im Januar hier gelegen, allerdings nur kurz. Aus der Kniekehle
hatten sie ihm eine Sehne gezogen, um daraus ein neues Kreuzband zu basteln.
Phänomenal, wie weit die Medizin heute war. Ein wenig spürte er sein Knie noch,
vor allem wenn er länger hinter dem Schreibtisch oder im Auto saß. Aber jetzt
war alles in Ordnung. Belledin machte sich um sein Knie keine Sorgen, dafür um
den Grad seiner Verliebtheit. Er musste nüchtern sein, um diesen Fall meistern
zu können. Die Trunkenheit, in die ihn die Gedanken an Anke Prückner
versetzten, war kaum zu ertragen.
    Er schlug die Fahrertür zu, was er sonst nie tat, da er gelernt
hatte, Dinge zu hegen und zu pflegen. Belledin hatte noch die Impfung seiner Kriegselterngeneration
in sich: Jeder Gegenstand kann ein Leben lang halten, wenn man ihn ordentlich
behandelt.
    Belledin näherte sich den beiden Polizisten, die vor Margits Zimmer
Wache schoben. Sie nickten ihrem Chef stumm zu, der erwiderte den Gruß mit einem
wortlosen Nicken, klopfte leise an und trat dann, ohne eine Reaktion
abzuwarten, ein.
    Das Bett war leer.
    »Margit?«, rief er laut durch das Zimmer in Richtung Toilette. Aber
es antwortete niemand. Dann fiel sein Blick auf die angelehnte Balkontür. Er
eilte hinaus und sah auf den Park des Krankenhauses hinunter. Margits Zimmer
befand sich im dritten Stock. Springen konnte hier niemand, aber klettern, wenn
man mutig und geschickt war.
    Belledin entdeckte einen Sims und eine Regenrinne, mit deren Hilfe
man sich auf den unteren Balkon ablassen konnte, um dann von dort aus mit dem
gleichen Spiel fortzufahren, bis man das Erdgeschoss erreicht hatte. Aber
vielleicht hatte Margit auch nur eine Kletterpartie genügt, um vom unteren
Stockwerk dann über die Treppen das Haus zu verlassen. Auch das war möglich.
Jedenfalls war Margit verschwunden. Und dieser Umstand löste ein gespaltenes
Gefühlsgemisch in Belledin aus: Zum einen ärgerte er sich, dass eine
Verdächtige so einfach türmen konnte, zum anderen freute er sich darüber, dass
Margit ihm mit ihrer Flucht in die Hände spielte. Er würde sofort eine
Großfahndung nach ihr einleiten. Und sobald

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