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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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Großgrundbesitzers.
    »Und ich hab denkt, mir sin Bötzinger und halte zsämme. Aber
Plaschtiker bliebt Plaschtiker.«
    Killian lächelte, ohne darauf zu antworten. Es herrschte ein Moment
des Lauerns, ehe Brenn aufstand, die Schiebetür aufriss und hinter den getönten
Scheiben seines Cherokee verschwand.
    Killian ließ die Schiebetür offen. Das Atelier brauchte frische
Luft, und die Morgensonne sollte für klaren Geist sorgen. Ein Blick an den
Himmel versprach einen weiteren Sonnentag. Gut für Margit, dachte Killian, der
ahnte, wohin sich die rote Zora zurückziehen würde. Er würde ihr aber noch
nicht dorthin folgen. Erst musste er entlastende Beweise finden. Er inhalierte
einige Male die frische Morgenluft, ehe ihn der Pfiff des heißen Wassers in die
Kochnische rief. Das Wasser war für Brenns Kaffee gedacht gewesen, aber Brenn
konnte ihn sich gerne von Bötzinger Freunden brauen lassen, wenn er noch welche
besaß. Er war nicht ohne Grund zu einem »Plaschtiker« gekommen. Da musste die
Not groß sein.
    Killian nahm das heiße Wasser mit an den Mac und tauchte erneut in
die Dossiers ein, die ihm Moshes Archiv zur Verfügung stellte. Er wollte sich
noch einmal der Grundschullehrerin Anna Popescu widmen. Vielleicht würde er
jetzt darauf kommen, woher er deren Gesicht kannte.
    * * *
    Belledin hatte wild und zusammenhanglos geträumt. Mal verfolgten ihn
die Männer des BKA , als wäre er
der Dreifachmörder, dann wieder gondelte er in einem Fesselballon als Bräutigam
von Maria Bava über den Kaiserstuhl; zuletzt kamen ihm auf der überfluteten
Straße zwischen Merdingen und Wasenweiler Wagner und Bühler paddelnd in einem
alten Weinfass entgegen und schmetterten »Im tiefen Keller sitz ich hier, bei
einem Fass voll Reben«.
    Als sein Wecker piepste, war er sich nicht sicher, ob der Tag ihm
Besseres bescheren würde als die Traumfetzen der Nacht.
    Biggi lag noch neben ihm. Das war sonderbar. Normalerweise stand sie
immer schon eine halbe Stunde vor ihm auf, um ihm sein Frühstück und die
Schnitten fürs Büro zu richten. Aber heute schlief sie noch. Er glaubte sogar,
ein leichtes Schnarchen zu hören. Ihm war es recht. Er hatte keine Lust, ihr in
die Augen zu sehen. Sie würde ihm Fragen stellen, und er hätte keinen Mut zu
antworten, weil er an Anke Prückner dachte. Dabei meinte es Biggi immer nur gut
mit ihm. Hatte sie sich am Ende nicht sogar für ihn die fünfzehn Kilo von den
Hüften gehungert? Und er war noch nicht einmal imstande gewesen, sie spontan zu
nehmen, als sie in Reizwäsche vor ihm getanzt hatte.
    Bei der Erinnerung daran dachte er mit Grauen an kommenden Mittwoch,
ihren regelmäßig anberaumten Termin des Geschlechtsaktes. Seit fünf Jahren
hielten sie es so, dass sie sich so, wie andere zum Kegeln oder in die Sauna
gingen, mittwochs zum Austausch der Säfte trafen. Hin und wieder ergaben sich
sogar überraschend erotische Momente, aber das war eher die Ausnahme. Vor allem
Biggi kam selten auf ihre Kosten. Wenn aber doch, dann wusste es die ganze
Nachbarschaft. Sie konnte sehr laut sein.
    Auch ihr Schnarchen wurde lauter. Sie schnappte geradezu gierig nach
Luft und drehte sich dann murrend vom Rücken auf die Seite.
    Belledin wälzte sich aus dem Bett und blieb für einen Augenblick an
der Bettkante sitzen. So machte er es immer, damit er seinen Kreislauf nicht
unnötig belastete. Er musste langsam in Schwung kommen. Überraschungen rächte
sein Organismus sofort. Belledin drückte den Rücken durch, rieb sich den Schlaf
aus den Augen und schlich aus dem Schlafzimmer.
    Ihm war weder nach Kaffee noch nach Frühstück. Eine warme Dusche ja,
den Wechsel auf kalt verweigerte er. Die Zähne putzte er, den Schnäuzer stutzte
er sich nicht, dafür gönnte er sich zwei Spritzer von dem Boss-Parfüm, das
Biggi für ihn im Dutzend im Duty-Free-Shop gekauft hatte, als sie Ende Januar
gemeinsam in die Karibik geflogen waren.
    Damals war die Welt noch in Ordnung gewesen. Da existierten Anke
Prückner und Maria Bava noch nicht. Da war der Mittwoch noch Mittwoch gewesen.
Belledin besah sich seine Tränensäcke und cremte sie sich mit einem
Schönheitsfett aus Biggis Sortiment ein. Vielleicht half es ja.
    Dann stieg er langsam in die Kleider, schlüpfte in seine rotbraunen
Budapester, entschied sich gegen den Hut, auch wenn ihn die Halbglatze älter
machte, und verließ das Haus.
    * * *
    Die Weinlese war vorbei, und Wagner hätte sich die Mühe in diesem
Jahr wahrlich sparen können. Aber es war das

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