Roter Zar
geglaubt, der Zar hätte den Verstand verloren. Und als ihm dämmerte, dass der Zar ihn nie zum Gold führen würde, ist er durchgedreht und hat drauflos gefeuert.«
»Warum hat er Alexej verschont?«, fragte Pekkala.
»Er musste die Leichen loswerden, damit es aussah, als wären die Romanows geflohen. Grodek aber wollte eine Geisel, falls er auf Einheiten der Weißen Armee treffen sollte und sein Fluchtweg versperrt wäre. Hör zu, Bruder, ich erzähle dir alles, was ich weiß, aber im Moment sind wir in großer Gefahr.«
»Das ist mir durchaus bewusst«, sagte Pekkala.
Plötzlich riss Anton die Augen auf.
Pekkala drehte sich um und sah nur noch, wie Alexej Anton mit dem Stiefel gegen den Kopf trat. Antons Blick flackerte, sein Mund klappte auf, während sich sein Gesicht vor Schmerz verzerrte. Dann sackte er bewusstlos zusammen.
Alexej wollte erneut zutreten, aber Pekkala hielt ihn zurück.
Kirow kam angerannt. »Was zum Teufel ist hier los?«, rief er.
»Das ist der Mann, der mitgeholfen hat, meine Familie zu ermorden!« Alexej zeigte auf den bewusstlosen Anton, dem Blut aus einer Wunde am Hinterkopf sickerte. »Er hat gerade alles gestanden. Er ist es, hinter dem Sie her sind.«
»Stimmt das?«, fragte Kirow.
Pekkala nickte. »Grodek hat den Zaren getötet. Mein Bruder hat ihm geholfen.«
»Aber Sie haben doch gesagt, Grodek sei im Gefängnis. Lebenslänglich.«
»Er ist während der Revolution freigekommen. Davon wusste ich nichts. Anton hat es mir eben erst erzählt.« Pekkala wandte sich an Alexej. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass Grodek den Fotografen Katamidse sowie Majakowski umgebracht hat. Er mag Sie damals verschont haben, als er Ihre Familie getötet hat. Aber jetzt, wo wir ihm so dicht auf den Fersen sind, wird er sich erst wieder sicher fühlen, wenn wir alle tot sind – Sie eingeschlossen, Alexej.«
»Wenn Sie so um meine Sicherheit besorgt sind«, sagte Alexej und starrte immer noch unumwunden auf Anton, »dann können Sie mit ihm ja schon mal anfangen. Erschießen Sie ihn.«
»Nein«, sagte Pekkala. »Jetzt ist nicht die Zeit, Rache zu üben.«
»Es wäre auch Ihre Rache«, erwiderte Alexej. »Er hat die ganze Zeit gegen Sie gearbeitet. Wenn Sie ihn nicht töten wollen, lassen Sie es mich machen. Und danach bringen Sie mich zum Gold meines Vaters. Dann fahre ich auch gern mit Ihnen nach Moskau. Ansonsten würde ich hier mein Glück versuchen.«
Pekkala musste an den Jungen denken, den er früher gekannt hatte und dessen sanftes Wesen nun von Hass und Wut verdrängt worden war. »Was ist bloß in Sie gefahren, Alexej?«
»Was in mich gefahren ist? Sie haben mich verraten, Pekkala. Sie sind nicht besser als Ihr Bruder. Wären Sie nicht gewesen, wäre meine Familie vielleicht noch am Leben.«
Pekkala verschlug es für einen Moment den Atem. »Glauben Sie, was Sie wollen«, sagte er dann. »Aber ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Wir sind alle Opfer der Revolution. Manche hatten unter ihr zu leiden, andere haben für sie gelitten, aber alle waren Opfer. Und daran wird auch alles Gold der Welt nichts ändern.«
Alexej sah ihn mit einem seltsamen Blick an.
Es dauerte etwas, bis Pekkala verstand. Er hatte den Zarewitsch immer bemitleidet, lange bevor sich das Schicksal gegen ihn und seine Familie gewandt hatte. Aber jetzt, wurde Pekkala bewusst, bemitleidete Alexej ihn.
Alexej sah zu Anton, der mit ausgebreiteten Armen und Beinen in einer Blutlache auf dem Boden lag. Dann schob er sich an Kirow vorbei und ging ins Haus.
Langsam ließ sich Pekkala auf dem Boden nieder, als würden die Beine unter ihm nachgeben.
Kirow ging neben Anton in die Hocke. »Wir sollten ihn zu einem Arzt bringen«, sagte er.
Kirow blieb im Haus, um Alexej zu bewachen, Pekkala packte Anton auf den Rücksitz des Emka und fuhr zur Polizeidienststelle. Dort stieg Kropotkin zu, und zusammen fuhren sie weiter zur Praxis eines gewissen Dr. Buligin, des einzigen Arztes in der Stadt.
Auf dem Weg dorthin berichtete Pekkala, dass sich Alexej im Ipatjew-Haus aufhielt.
»Gott sei Dank«, kam es von Kropotkin nur.
Pekkala erzählte auch von Grodek und bat Kropotkin, das Büro für besondere Operationen anzurufen, um einen bewaffneten Geleitschutz für den Transport des Zarewitsch nach Moskau anzufordern. »Bis dahin sollte das Haus bewacht werden … von so vielen Männern, wie Sie erübrigen können.«
»Ich werde mich darum kümmern, sobald wir Ihren Bruder bei Buligin abgeliefert haben.«
»Keiner darf
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