Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
Während der ganzen Fahrt sagte Gallo kein Wort. Als sie den Wagen geparkt hatten und sich voneinander verabschiedeten, ergriff der Sizilianer Kieffers Unterarm und schaute ihn eindringlich an. »Sie sollten Ihre Nachforschungen nun beenden. Die Sache ist in guten Händen.«
»Ich bin mir nicht sicher, dass dies schon das Ende ist. Ich habe noch …«
»Es ist das Ende«, widersprach der Raís.
»Aber diese Zuchtfarm, völlig ohne Genehmigung, mitten im Meer – Sie haben selbst gesagt, dass es das eigentlich nicht geben sollte. Irgendjemand muss etwas dagegen unternehmen.«
Der Raís schaute ihn an, wie man jemanden anschaut, der den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. »Verstehen Sie es wirklich nicht?«
»Wie denn, wenn Sie die ganze Zeit um den heißen Brei herumreden.«
»Also gut. Spätestens nächste Woche wird es auf der Isoletta di Bonaccia nur noch rauchende Trümmer geben.«
»Was?«
»Thun ist ein Millionengeschäft. Und auf Sizilien macht niemand Millionengeschäfte ohne … sie.« Der Raís legte ihm die Hand auf die Schulter. »Steigen Sie jetzt in Ihren Flieger. Es war gut, Sie kennengelernt zu haben. Aber kommen Sie besser nicht wieder her.«
Dann drehte er sich um und verschwand in der Menge.
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32
Als Kieffer in der Ankunftshalle des winzigen Flughafens Luxemburg-Findel sein Handy wieder einschaltete, sah er, dass eine neue SMS eingetroffen war. Sie stammte von Valérie. Seine Freundin hatte sich diesmal also zuerst bewegt. Er las die Nachricht: »Wo bist du? Ruf mich an, in Liebe, Val. P.S. Guck in deine Mails.« Er schaute auf das Display. Sie hatte mehrfach versucht, ihn anzurufen. Doch dank seines Ausflugs zur Isoletta und dem dreistündigen Flug war er praktisch unerreichbar gewesen. Nun meldete sich sein schlechtes Gewissen. Hätte er Valérie nicht zumindest seine Reisepläne mitteilen sollen? Jetzt war es ohnehin zu spät. Er würde sie gleich anrufen, doch zuerst wollte er nach Hause. Kieffer holte sein Auto aus dem Parkhaus und fuhr nach Grund. In seinem Häuschen in der Tilleschgass griff er sich zunächst eine, wie er fand, wohlverdiente Flasche Mousel aus dem Kühlfach und ließ das Bier in großen Schlucken seine Kehle hinabrinnen. Dann warf er den Computer an und schaute nach der Mail von Valérie. Der Betreff lautete »Portugal-Urlaub«, die Nachricht bestand aus nur wenigen Sätzen und einem Link.
»Liebster, ich habe uns ein Hotel in Burgau ausgesucht. Schau doch mal, ob es dir gefällt. In Liebe, Val.« Kieffer klickte auf den Link, der zur Seite eines Reiseportals führte. Als sich die Seite öffnete und er den Eintrag des Hotels sah, rutschte ihm die Bierflasche aus der Hand. Sie fiel auf den Boden, kullerte noch ein Stück und tränkte seinen Perserteppich mit Mousel Altmünster. Kieffer ignorierte das Malheur. Er hatte nur Augen für das Hotel. Es sah vielversprechend aus, war keiner dieser hässlichen Betonbunker, die in Südeuropa gemeinhin die Küste verschandelten. Es handelte sich um einen freundlichen, gedrungenen Bau, mit Azaleen vor den gemauerten Wänden. Dahinter sah man das Meer. All das nahm Kieffer freilich nur am Rande wahr, seine ganze Aufmerksamkeit wurde von dem blauen Schriftzug über dem Eingang gefesselt: »Gran Hotel Marquês Pombal.«
Pombal. Wieso hieß das Hotel genauso wie die Fischfirma von Trebarca Silva? Er wechselte zur Seite einer Suchmaschine und gab »Marquês Pombal« ein. Der erste Treffer war ein Lexikoneintrag. Er stöhnte. »Kretjchëft namol, wat eng Merde!« Dort blickte ihm ein Herr entgegen, den er bereits kannte. Der Marquês Pombal stand auf seiner Terrasse, mit weißer Perücke und Brokatgewand, in herrischer Pose auf den Hafen von Lissabon deutend. Es war das gleiche Gemälde, das er in Trebarca Silvas Büro in Belval gesehen hatte. Er las den ganzen Eintrag:
»Sebastião José de Carvalho e Mello, Conde de Oeiras, seit 1769 Marquês de Pombal (* 13. Mai 1699 in Lissabon; † 8. Mai 1782 in Pombal), war Erster Minister Portugals während der Herrschaft König José I. und derbedeutendste portugiesische Staatsmann des 18. Jahrhunderts.«
Kieffer ließ sich in den Stuhl sinken. In seinem Kopf konnte er die Stimme Trebarca Silvas hören: »Ich bin ein großer Patriot.« Und als solcher hatte sich der Thunhändler nicht nur ein Gemälde des portugiesischen Bismarcks in seine Büroräume gehängt. Er hatte auch sein ganzes Firmenimperium nach jenem Mann benannt, den er offensichtlich fast so glühend verehrte
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