Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
wie die Madonna von Fatima. Dabei hatte Silva den ellenlangen Namen des Ersten Ministers ausgeschlachtet und filetiert, wie einen jener Fische, mit denen er handelte. Sein Großhandel hieß Pombal, sein Thunranch-Imperium Carvalho e Mello. Der Luxemburger Trustfund, über den Trebarca Silva seine Geschäfte abwickelte, nannte sich Sebastião 3. Blind war er gewesen, dass ihm das alles nicht viel früher aufgefallen war. Denn damit war nun auch zweifelsfrei bewiesen, wem das Transportunternehmen gehörte, das Ryuunosuke Mifunes Sushi-Zutaten ins Orsay gebracht hatte. Die Firma hieß Marquis Catering. Marquis, die französische Version eines Markgrafen, der auf portugiesisch Marquês hieß. Kieffer griff zum Telefon und wählte Valéries Nummer.
»Xavier! Ich hab’ schon den ganzen Morgen versucht, dich zu erreichen. Wo warst du?«
»Auf Sizilien.«
»Wie bitte? Was hast du dort gemacht?« Er merkte, wie sie in Rage geriet.
»Ich habe die Zuchtanlage von Trebarca Silva angeschaut. Aber den Fall gelöst habe ich erst jetzt, dank deiner Hilfe.« Er erzählte ihr von der Insel und von derMattanza. Vom Raís, von dem viel zu hilfsbereiten Anwalt und vom Marquês de Pombal.
»So was kannst du doch nicht im Alleingang machen! Geh’ jetzt endlich zur Polizei!«
»Und was soll ich denen erzählen?«
»Dass Trebarca Silva zwei Menschen hat ermorden lassen.«
Er seufzte. »Die Beweislage ist nach wie vor dünn. Ich werde mit ihm reden.«
»Xavier, der Mann geht über Leichen. Triff dich nicht mit ihm allein, hörst du?«
»Das habe ich gar nicht vor, Val. Ich werde ihn vor Tausenden Zeugen treffen, und zwar schon morgen. Ich hatte gehofft, dass du mitkommst.«
»Morgen ist Himmelfahrt«, entgegnete sie. »Willst du ihm vor der Kirche auflauern?«
»Nein. Vor dem Fatima-Denkmal in Wiltz.«
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33
Auf dem Rollfeld von Findel wartete Kieffer auf die Air-France-Maschine aus Paris. Er hatte sich am Vorabend lange den Kopf darüber zerbrochen, wie Valérie und er es schaffen sollten, rechtzeitig nach Wiltz zu gelangen, bevor die Fatima-Prozession begann. Der Ort im Norden lag zwar nur 60 Kilometer von Luxemburg-Stadt entfernt, doch mit dem Pkw nach Wiltz zu gelangen, gar zum Fatima-Denkmal, schien ihm an Himmelfahrt ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Denn zu den rund 5000 Einwohnern des Ardennenstädtchens gesellten sich an diesem Tag Heerscharen von Pilgern, viel mehr, als die Infrastruktur der kleinen Gemeinde verkraftete. Mit dem Auto stünden sie an diesem Donnerstag auf der Nationalstraße stundenlang im Stau. Deshalb hatte er ein alternatives Transportmittel organisiert.
Kieffer zog die rote Ducal-Schachtel aus der Tasche seiner Cordhose und klopfte eine Zigarette heraus. Er sah einen Tanklaster vorbeidonnern und überlegte, ob man auf dem Rollfeld überhaupt rauchen durfte. Er musterte die kleine, betagte Propellermaschine, die abseits der Embraer-Jets von Luxair stand. Dann steckteer die Zigarette hinter sein Ohr. Als er gestern Abend die Straßenkarte studiert und nach einem Schleichweg zum Fatima-Denkmal gesucht hatte, war ihm der Flugplatz von Noertrange aufgefallen. Er befand sich nördlich von Wiltz in den Ardennen, unweit der belgischen Grenze. Wenn sie von dort kamen, hatten sie vielleicht eine Chance, dem Megastau zu entgehen. Die Pilger hatten, so war es Brauch, bereits am Mittwochabend überall rund um Wiltz am Wegesrand kampiert und gegrillt. Heute würden sie von der Dekanatskirche im Tal den Hügel hinaufsteigen, zum Fatima-Denkmal, um unter freiem Himmel die Messe zu hören.
Kieffer sah nun die Air-France-Maschine, die Valérie zu ihm bringen würde. Fauchend setzte sie auf der einzigen Landebahn auf, die Luxemburg-Findel zu bieten hatte. Der internationale Flughafen seiner Heimatstadt bestand aus einem Parkplatz, einem schuhkartonartigen Terminal aus Glas sowie einem winzigen Rollfeld. Er fragte sich, wie der in Noertrange wohl aussehen mochte. Vermutlich handelte es sich um einen Acker, den man seit ein paar Jahren nicht mehr umgepflügt hatte. Der Pilot ihrer Cessna hatte ihm jedenfalls erklärt, er könne dort problemlos landen. Es dauerte etwa zehn Minuten, dann hielt neben ihm eine schwarze BMW – Limousine mit abgedunkelten Scheiben. Als Erstes sah er ihre langen Beine, die sich durch die Fondtür schoben. Trotz der Ankunft im VIP – Shuttle war sie heute eindeutig Valérie, nicht La Gabin. Sie trug ausgewaschene Jeans und weiße Chucks. Ihr Oberkörper steckte in einem schwarzen
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