Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
draußen abspielt, in einer rechtlichen Grauzone. Aber da wir nun einmal die alteingesessenen Geschäftsleute hier sind, empfinden wir solch ein Vorgehen als ausgesprochen rüde.«
Kieffer klopfte sich eine Ducal aus der Packung. »Sie meinen, unter Gentlemen hätte man zumindest einmal miteinander gesprochen?«
»So ist es unter ehrbaren Kaufleuten üblich, Herr Kieffer.« Carrone entnahm seiner Hosentasche ein silbernes Feuerzeug und gab ihm Feuer. Dann sagte er: »Antoniu erzählte, Sie hätten Fotos von der Anlage gemacht. Könnte ich die einmal sehen?«
»Sicher.« Kieffer reichte ihm die Kamera.
Der Avvocato griff hinter sich und entnahm einer Tasche einen Laptop. Dann zog er die Speicherkarte aus der Kamera des Kochs und schob sie in einen Schlitz an derSeite seines Computers. Einige Minuten vergingen, während sich Carrone durch die etwa 50 Aufnahmen klickte. Dann steckte er die Karte wieder in die Kamera und gab sie dem Luxemburger zurück. »Das ist äußerst beeindruckend. Wissen Sie, wie er das finanziert hat?«
Kieffer wurde der allzu freundliche Anwalt allmählich unheimlich. Deshalb sagte er: »Ich habe nicht herausfinden können, wer seine Geldgeber sind – es scheint, dass Trebarca Silva ein äußerst verschachteltes Firmenimperium besitzt.«
Carrone nickte wissend. »Natürlich. Ich kann Ihnen nichts versprechen, aber wir werden zwei Dinge tun. Zum einen werde ich meinem Mandanten vorschlagen, detaillierte Informationen über Signore Silva einzuholen. Kreditwürdigkeit, Kundenbeziehungen, Footprint – wir haben Kontakte, die so etwas wissen. Zum anderen«, er nippte an seiner Limonade, »werde ich rechtlich prüfen, ob man einfach mitten im Mittelmeer solch eine Zucht unterhalten darf. Haben Sie eine Idee, was dort mit den Fischen geschieht?«
»Ich kann es mir nur zusammenpuzzeln, ich bin kein Experte.«
»Ihre Einschätzung wäre dennoch von großem Wert für mich.«
»Nun gut. Nach allem, was ich auf der Insel gesehen habe, steht für mich fest, dass Trebarca Silva dort Thunfisch züchtet. Nicht, indem er Jungtiere in Reusen setzt, wie es die anderen Rancher machen. Er zieht die Tiere komplett auf. Er hat ausgewachsene Fische, denen etwas injiziert wird, damit sie Rogen und Sperma produzieren.«
»Hormone?«, fragte der Anwalt.
»Möglich. Dann füttern seine Leute die Larven. Aber nicht mit Sardinen oder anderen Fischen, wie das gemeinhin üblich ist. Sondern mit Pellets, mit Fertigfutter. Ich weiß nicht, wie das geht, denn nach meinen Informationen ist das bislang noch niemandem gelungen.«
Der Raís sagte etwas auf Sizilianisch.
»Antoniu sagt, die Fische seien sehr wählerisch, was ihr Essen angeht.«
»Die von Silva offenbar nicht. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sie sich auf das Fertigfutter gestürzt haben. Wenn die Fische größer werden, setzt man sie offenbar ins Meer.«
»In Reusen?«
»Sie haben die Kugel gesehen. Antoniu sagt, es sei wahrscheinlich eine Art Unterwasserkäfig.«
»Und wo befinden sich diese Zuchtkäfige?« Carrone schob Kieffer seinen Rechner hin, auf dem ein Fotoprogramm geöffnet war. Dort waren seine Bilder als Miniaturansichten abgespeichert.
»Dieses Bild hier. Vergrößern Sie es bitte.«
Sie schauten einen Moment lang auf die Karte, die der Koch von dem Bildschirm im Labor abfotografiert hatte. »Keine sehr genaue Positionsbestimmung«, sagte der Avvocato.
»Vielleicht wenn man ein großes Boot mit einem Sonar hätte …«, wandte Kieffer ein.
»Vielleicht«, sagte Carrone. »Ich danke Ihnen für diese Informationen. Wie darf ich mich bei Ihnen revanchieren?«
»Wenn Sie mich anrufen und mir das Ergebnis Ihrer Nachforschungen mitteilen würden, wären wir aus meiner Sicht quitt.«
»Sicherlich. Und wenn Sie noch etwas über Signore Silva oder seine Geschäftspartner in Erfahrung bringen, wäre ich Ihnen für einen Anruf dankbar.« Der Avvocato entnahm seiner Hosentasche eine Visitenkarte und reichte sie dem Koch. Carrone lächelte und stand auf. Kieffer tat es ihm gleich, und sie schüttelten sich die Hand. Der Avvocato sagte: »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden. Ich muss einige Telefonate führen. Es war mir eine Freude. Bleiben Sie ruhig noch ein wenig sitzen und trinken Sie eine weitere Chinotto. Es wird ein sehr heißer Tag.« Dann verschwand er zwischen den Orangenbäumen. Nachdem sie ausgetrunken hatten, brachte Kieffer den Raís zum Hauptbahnhof, von wo dieser den nächsten Zug nach Trapani nehmen wollte.
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