Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
Sache, dass du da bist. Ich probiere gerade mein neues Teil aus.«
Kieffer betrachtete den Grill. Er war monströs, bestimmt dreieinhalb Meter lang und anderthalb Meter breit. In der Feuerschale glühten kleine Holzkohlestücke. Die Hitze, die ihm entgegenschlug, war enorm. Über der Glut erstreckten sich statt eines Grillrosts mehrere Eisenstangen, die längs auf dem Grill lagen. »Das ist der Robata?«
»Genau. Aus Japan eingeflogen. Die beste Art zu Grillen, die einzige Art! Leider irre teuer. Sogar die Binchootan musste ich aus Tokio kommen lassen, spezielle Eichenholzkohle.«
»Kannst du nicht ganz normale Briketts benutzen?«
»Auf keinen Fall, Mann! Nur Binchootan wird so höllisch heiß, wie, na, wie Binchootan eben. Mit eurer europäischen Mickymauskohle wird mein Fisch labbrig.« Toro ging zu einem Plastikeimer voll gestoßenem Eis, indem sich mehrere Bierflaschen befanden. Er reichte Kieffer ein Asahi Superdry und prostete ihm zu. »Kanpai!«
»Kanpai, Toro. Wie willst du dieses Monster eigentlich in dein kleines Lokal zwängen?«
»Gar nicht. Ich sattel’ um, mach’ einen neuen Laden auf. Ich hab’ keinen Bock mehr auf Sushi.«
»Verstehe ich nicht.« Kieffer zündete sich eine Ducal an. »Erklär’s mir, bitte.«
Hashimoto überprüfte erneut die Kohle, fächelte noch ein wenig und nickte schließlich zufrieden. »Sushi ist durch, Mann. Es gibt in dieser Stadt mehr Rollfischbuden als es französische Bistros gibt. Macht alles keinen Spaß mehr. Und wenn du den Leuten ein bisschen Qualität bieten willst …«, er zuckte hilflos mit den Achseln.
»Dann was?«
»Sorry, aber ihr Langnasen habt einfach keine Ahnung von Sushi, ist halt nicht eure Kultur. Solange es neu war, solange nur Leute mit Kohle kamen, da ging es. Denen konntest du das alles erklären. Aber jetzt kommen Bauern, die tunken ein schweineteures Stück Maguro, Blauflossenthun, ins Wasabi. Da können sie auch Fischstäbchen fressen, niemand schmeckt da mehr was.«
Er ging zu einer Styroporkiste, die an der Wand auf einem Klapptisch stand. »Gestern hatte ich hier einen Typen, der hat die Gari, die Ingwerscheibchen, mit zwei Portionen grünem Meerrettich und der Sojasoße zu einem Brei verrührt und das als Vorspeise gegessen, überleg dir das mal.«
Kieffer ahnte, was Hashimoto meinte. »Klar, die Leute haben keine Ahnung. Aber sie essen auch mit Gusto Chinesisch, obwohl das Zeug im Chinaimbiss rein gar nichts mit der echten …«
»Vooorsicht jetzt!« Toro fuchtelte tadelnd mit der Grillzange vor Kieffers Gesicht herum. »Chinacken und Japsen, gefährlicher Vergleich, ganz dünnes Eis.« Er grinste breit. »Nur Spaß! Andererseits: Die Chinesen, die Inder oder die Tamilen machen jetzt ebenfalls überall Sushiläden auf.«
»Ist das so schlimm?«
»Das Problem ist, dass die aus Sushi ein Fischlego machen.«
Kieffer nahm noch einen Schluck Asahi. »Wieso Lego? Setzen sie es aus Fertigkram zusammen?«
»Genau, das ist jetzt das große Ding.« Er zeigte in Richtung Küche. »Du hast meine Hangiri gesehen? Die Holzbottiche?«
»Klar. Darin gärt dein Sushireis.«
Hashimoto nickte. »Exakt. Macht aber außer mir kaum noch jemand. Es gibt inzwischen Firmen, die liefern dir den Reis vormariniert, in so großen Plastikeimern.«
»Und dann?«
»Dann kippst du die Pampe in eine Nigiri-Maschine. Die haut Hunderte kleine Reisklötzchen pro Stunde raus. Oben drauf packst du Fischstücke, die kommen vorgeschnitten, eingelegt, tiefgefroren. Das Gleiche gilt fürs Konomono, das eingelegte Gemüse. Mit Kochen hat das alles nichts mehr zu tun. Und das Schlimmste ist der Wasabi.«
»Der scharfe Meerrettich? Ich liebe den.«
»Tust du nicht, es sei denn, du isst bei Typen wie Mifune. Was dir so gut mundet sind Senfpulver, Wasser sowie die Farbstoffe Grün und Blau.«
Kieffer konnte sich ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen. »Für jemanden, der sich jahrelang hauptsächlich von Ramen-Tütensuppen und Seetangcrackern ernährt hat, bist du ganz schön pingelig geworden.«
Der Japaner schnitt eine schwer zu deutende Grimasse. »Ich weiß auch nicht. Vielleicht muss ich einfach mal was Neues machen. Deshalb eröffne ich im Mai Paris’ erstes Robatayaki. Japanisches Barbecue. Schon um den Franzmännern zu zeigen, dass japanisches Essen nicht bei kaltem Fisch aufhört. Und du bist mein erster Testesser.«
»Was gibt es denn?«
»Unagi. Flussaal. Das ist Essen für Männer, davon bekommst du richtig Tinte auf den
Weitere Kostenlose Bücher