Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
der Qualität seines Fisches.«
»Ein guter Koch muss immer besorgt sein.«
Honda nickte energisch. »Ja. Aber er war außerordentlich besorgt, glaube ich. Es muss ernste Probleme mit unserem letzten Händler gegeben haben.«
»Kaufen Sie Ihren Fisch denn nicht auf dem Rungis?«, fragte Kieffer.
»Oojiki ging nie auf den Rungis. Wie alle guten Sushirestaurants hatte er einen Großhändler seines Vertrauens, der ihn seit Jahren direkt belieferte. Jemand, der für Qualität bürgt.« Honda drehte die Zigarette zwischen den Fingern hin und her. »Man telefoniert täglich, der Händler kennt das Menü und die Ansprüche des Sushimeisters. Wenn er etwas Besonderes brauchte, zum Beispiel einen lebenden Oktopus oder koreanische Seeigel, dann hat der Händler diese Sachen für ihn über seine Kontakte direkt in den großen Häfen erworben. Oder auf dem Tsukiji, dem Tokioter Fischmarkt. Und sie dann direkt hierher fliegen lassen.«
»Und wie hieß Ihr Händler?«, fragte Kieffer.
»Prezzemolo.«
»Und was war mit dem nicht in Ordnung? Wieso hat sich Mifune-san von ihm getrennt?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Kieffer-san.«
»Warum nicht?«
Er sah, dass es in Hondas Gesicht zu arbeiten begann. »Ich habe einen Universitätsabschluss in Finanzen, ich bin kein Koch und kenne mich mit den Feinheiten des Fisches nicht aus. Buchhaltung, Steuern, Reservierungsmanagement, das ist eher mein Metier. Außerdem … sehen Sie, wir sind Japaner. Wir sind sehr traditionsbewusste Menschen.« Er schaute den Koch an, als erwartete er, dass diese Antwort den Sachverhalt hinreichend erklärte. Als Kieffer nichts entgegnete und dem Blick des Maître standhielt, wandte dieser sich nach einigen langen Sekunden ab und fuhr mit gesenkter Stimme fort.
»Es gibt bei uns ein Sprichwort. ›Okami ni kiku‹. Höre den Göttern einfach zu. Und in einem Restaurant, da ist der Sushimeister der Gott. Wenn er etwas anordnet, wenn er etwas entscheidet oder tut, dann geziemt es sich nicht, Fragen zu stellen. Das hieße sein Handeln anzuzweifeln.«
Kieffer verstand. Die Qualität des Fisches war Chefsache gewesen. Und als Mifune mit seinem Lieferanten Prezzemolo unzufrieden gewesen war, da hatte er sich einen neuen gesucht. Es gab keine Erklärungen. Es gab einen neuen Fischhändler. Mehr mussten seine Untergebenen über den Vorgang nicht wissen, nicht einmal sein Neffe, der Maître.
»Eine letzte Frage, Honda-san. Kennen Sie einen Fischhändler namens José Trebarca Silva?«
»Nein, dieser Name sagt mir leider nichts.«
»Okay, dann will ich Sie jetzt nicht länger stören. Vielleicht darf ich Ihnen meine Telefonnummer hierlassen? Für alle Fälle.« Kieffer gab dem Japaner seine Visitenkarte, die dieser mit beiden Händen entgegennahm. Sie verabschiedeten sich. Kieffer fuhr wieder ins Erdgeschoss und schlenderte nun durch den Park des Museums in Richtung des Treffpunkts, den er mit dem Fahrer ausgemacht hatte. Während er durch die Gartenanlage lief, rief er auf seinem Handy Toro Hashimoto an.
»Moshi moshi!«
»Toro, hier ist Xavier.«
»Du schon wieder! Was liegt an?«
»Falls du Zeit hast, würde ich dir gerne noch ein paar Fragen zu Mifune stellen. Ich bin heute in Paris.«
»Klar, Mann. Weißt du was? Mir kommt da eine Wahnsinnsidee!«
Kieffer sackte leicht in sich zusammen. Wenn er sich richtig entsann, waren Toros Ideen meist sehr anstrengend. »Und zwar?«
»Wir haben heute zu, und du kannst mir helfen, den neuen Robata einzuweihen. Komm einfach vorbei, 45, Rue du Dragon.«
»Was ist ein Robata? Ist das Sushi?«
»Nein, das ist was für richtige Männer. Richtig geil, wirst schon sehen. Sei um drei da!« Dann legte Hashimoto auf.
[Menü]
8
Die Rue du Dragon war eine kleine Seitenstraße des Boulevard Saint-Germain, in der es viele kleine Bars und Bistros gab, darunter auch mehrere asiatische. Kieffer stieg aus der Limousine und teilte dem Chauffeur mit, dass er dessen Dienste heute nicht mehr benötige. Als er die Häuserfronten musterte, ahnte er gleich, welcher Laden Toro gehörte; eines der Gebäude war in Knallblau und Giftgrün gestrichen, von dem Schild über dem Eingang schauten den Koch mehrere breit grinsende japanische Comicfiguren an, die übernatürlich großen Rehaugen weit aufgerissen.
Ein weiteres Indiz war die Musik. Er hatte den dreigeteilten Stoffvorhang der Sushiya noch nicht passiert, vernahm aber bereits ohrenbetäubenden Lärm. Punkmusik pochte ihm entgegen, er meinte die Riffs von »Anarchy in
Weitere Kostenlose Bücher