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Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Titel: Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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sind, dass sie als Zeugen dieses schrecklichen Ereignisses dazu gewissermaßen verpflichtet sind.«
    »Wakarimasu. Ich verstehe«, sagte Honda. »Kommen Sie doch bitte mit.« Der Maître geleitete ihn zu einem Tisch auf der dem Eiffelturm zugewandten Seite. Sie hatten das gesamte Restaurant für sich.
    Die Kellnerin brachte ihnen zwei Becher mit grünem Tee. Honda musterte ihn prüfend, immer noch ohne jeden Anflug von Freundlichkeit. »Was wissen Sie bereits über den Tod meines Onkels?«
    »Er war Ihr Onkel? Das wusste ich nicht. Mein aufrichtiges Beileid.« Er schaute Honda an. »Ich war dabei, als es passierte.«
    »Dann wissen Sie doch wahrscheinlich mehr als ich, Monsieur Kieffer.«

    »Über den Ablauf – sicherlich. Aber für mich bleiben da einige Fragen offen.« Kieffer beschloss, in die Offensive zu gehen: »Ein solch herausragender Sushimeister wie Ihr Onkel es war, der vergiftet sich nicht selber an der Spitze eines Oktopustentakels.«
    Der Koch sah, wie sich Hondas teigiges Gesicht merklich rötete. Sogar seine Glatze begann purpurfarben zu schimmern. Es war seine erste erkennbare Gemütsregung. »Das haben wir der französischen Polizei auch gesagt. Oojiki – mein ehrenwerter Onkel – war ein Meister des Namagiri.«
    »Was bedeutet das?«
    »Namagiri heißt Wellenschnitt. Tako, also Oktopus, zuzubereiten gilt als eine der größten Herausforderungen für einen Sushikoch. Die Tiere haben ein sehr festes Muskelgewebe, enthalten viel Collagen, man muss ihr Fleisch sehr dünn schneiden. Sonst wird es zäh. Die Tentakel in einer speziellen Wellenform zu filetieren, erfordert jahrelange Übung, ebenso wie das Präparieren der Tiere. Der Tintenfisch muss vor dem Kochen zudem eine Stunde lang von Hand massiert werden, damit sich seine Muskeln lockern und der Schleim austritt. Mifune-sama hat all das stets selbst gemacht.«
    »Verwendete er denn die Tentakelspitzen? Ich habe gehört, einige Köche lehnen das ab.«
    »Nie. Er hat in den Siebzigerjahren in Shibuya gelernt, bei Shinichi Akutagawa, einem der größten Sushimeister. Auch der hat nie Tentakelspitzen verwendet.«
    Kieffer nippte an seinem Tee. Er schmeckte verbrannt. Musste japanischer Tee so schmecken? »Woher kam denn der Fisch für das Omakase? Und wer hat ihn zubereitet?«

    »Der Fisch kam wie immer frühmorgens von unserem Lieferanten. Dann haben wir ihn hier vorbereitet, bis in den frühen Samstagnachmittag. Oojiki war die ganze Zeit dabei. Gegen 15 Uhr ist er ins Orsay gefahren, zusammen mit seiner Truppe, um dort alles vorzubereiten. Die Neta haben wir erst kurz vor Beginn des Omakase im Kühlfahrzeug eines Dienstleisters rüberbringen lassen.«
    Neta, das wusste Kieffer von früher, waren gut 20 Zentimeter lange und 10 Zentimeter breite Fischstücke. In weniger guten Sushirestaurants kamen Thun oder Makrele vorgeschnitten in Plastikpackungen vom Lieferanten. Top-Etablissements wie das »Ue no tai« filetierten ihren Fisch hingegen selbst, schnitten ihn aber erst dann in kleine Sushihäppchen, wenn er auf die Reisbällchen gelegt werden sollte. Das Vorprodukt waren diese Neta, präparierte Fischfilets, die der Koch griffbereit vor sich liegen hatte. Bei Bedarf schnitt er ein Stück ab.
    »War unter den Fischstücken auch Tako?«, fragte Kieffer.
    »Natürlich, der war ja Teil des Omakase-Menüs«, entgegnete Honda.
    »Tentakelspitzen?«
    »Nein. Ich habe alles noch einmal kontrolliert, bevor wir es haben rüberschaffen lassen.«
    »Entschuldigen Sie diese sehr indiskrete Frage, aber …«
    Honda setzte erstmals ein Grinsen auf. Es war säuerlich und wirkte äußerst unbuddhahaft. »Das hat die PJ mich natürlich ebenfalls gefragt. Das Restaurant war an jenem Abend geöffnet. Ich war also die ganze Zeit hier, wofür es an die hundert Zeugen gibt.«
    »Danke für die Information, aber tatsächlich meinteich etwas anderes, Monsieur Honda. Ich hätte gerne gewusst, von wem Sie Ihren Fisch beziehen und ob es da vielleicht irgendwelche Auffälligkeiten gab.«
    »Rauchen Sie, Kieffer-san?«
    »Mit großer Hingabe.«
    »Dann lassen Sie uns auf die Terrasse gehen.« Honda führte ihn in den Außenbereich des Restaurants. Offenbar wollte er nicht, dass die anderen Bediensteten etwas von dem weiteren Gespräch mitbekamen. Er bot Kieffer eine Marlboro an, die dieser dankend annahm.
    Der Koch gab dem Maître Feuer. »Es ist interessant, dass Sie diese Frage stellen, Kieffer-san. Die PJ hat sie nicht gestellt. Tatsächlich war mein Onkel besorgt wegen

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