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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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Freund.«
    »Ja.«
    »Auf welche Art war er Ihr Freund?«
    »Gibt es mehrere Arten von Freundschaft?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Jetzt sind Sie also wieder am selben Punkt angelangt. Sie wissen es nicht.«
    »Auf welche Art waren Sie Freunde?«, wiederholte Winter.
    »Wir … haben uns zum Beispiel hier getroffen. Oder im Café, als es noch existierte. Aber das habe ich doch schon gesagt.«
    »Warum haben Sie es nicht eher erzählt?«
    »Sie haben mich nicht gefragt.«
    »Nach dem Café hab ich nicht gefragt.«
    »Ich fand, das ging niemanden etwas an.«
    »Hiwa ist ermordet worden«, sagte Winter. »Erschossen.«
    Kerim antwortete nicht.
    »Sie hätten als einer der Ersten zu mir kommen und mir alles erzählen müssen, was Sie über ihn wissen.«
    »Jetzt sitzen wir ja hier«, antwortete Kerim.
    »Warum wollen Sie nichts sagen? Haben Sie Angst?«
    »Jeder hat doch wohl Angst vor irgendwas?« Kerim sah Winter nicht in die Augen. »Hier haben alle Angst.«
    »Ich glaube, Sie verstecken sich nur hinter der Angst.«
    Kerim schwieg.
    »Hatte Hiwa vor etwas Angst?«, fragte Winter. »Wusste er etwas?«
    »Was hätte er wissen sollen?«
    »Etwas, das er nicht hätte wissen dürfen.« Kerim schwieg.
    »Was wusste er?«, fragte Winter.
    Die Frau hinter dem Tresen beobachtete sie. Der Abstand war groß genug, dass sie nichts verstehen konnte, aber Winter hatte gesehen, wie Kerim mehrere Male zu ihr hingeschielt hatte.
    »Möchten Sie, dass wir woanders hingehen?«
    »Nein, nein.« Kerim schüttelte den Kopf und begann still zu weinen.
    Winter konnte nicht erkennen, ob die Frau es bemerkt hatte, da sie ihnen den Rücken zukehrte.
    Mozaffar Kerim nahm ein Taschentuch hervor und putzte sich diskret die Nase. Er schaute auf.
    »Mehr Tränen«, sagte er.
    »Es können noch viele Tränen fließen«, sagte Winter.
    »Was wissen Sie denn davon?«
    »Ich bin auch ein Mensch.«
    »Sie wollen sich wohl bei mir einschleimen.«
    »Das ist eine übliche Verhörmethode.«
    »Und jetzt versuchen Sie einen Witz zu machen.«
    »Meistens bleibt es beim Versuch. Sie lachen nicht, wie ich sehe.«
    Mozaffar Kerim schaute aus dem Fenster. Ein Auto fuhr vorbei. Ein Auto wurde gestartet und fuhr davon. Winter hatte niemanden einsteigen sehen.
    »Hiwa hatte Angst vor etwas«, sagte Kerim, ohne den Blick abzuwenden.
    Winter schwieg, wartete, folgte Kerims Blick zu der weißen Leere dort draußen.
    »Ich weiß nicht, wovor.«
    »Was hat er Ihnen erzählt?«
    »Er hat nicht darüber gesprochen.«
    »Woher wissen Sie es dann?«
    »Er hatte sich verändert.«
    »Inwiefern?«
    »Das kann ich nicht genau sagen.« Jetzt sah Kerim Winter in die Augen.
    »Wann hat er sich verändert?«, fragte Winter.
    »Vor … ungefähr einem Monat. Ich weiß nicht, vielleicht ein bisschen eher, vielleicht ein bisschen später.«
    »Auf welche Art hat er sich verändert?«
    »Er … wirkte nervös.«
    »Wie äußerte sich das?«
    »Ich … weiß es nicht. Da war etwas … das kannte ich nicht. Er war eben … anders.«
    »Wie war er denn vorher?«
    »Fröhlich. Er war immer fröhlich.«
    »Und das war er nicht mehr?«
    »Schon, aber irgendwie anders.«
    »Worin bestand der Unterschied?«
    »Er machte keine Witze mehr wie früher.« Winter meinte ein Lächeln in Kerims Gesicht zu entdecken, aber vielleicht war es auch nur ein schmaler Sonnenstrahl, der über seinen Mund huschte. »Er machte häufig Witze.«
    »Worüber?«
    »Über alles, Politik zum Beispiel. Über Flüchtlinge. Über Saddam. Über die Amerikaner, die Türken, die Schweden, die Somalier, über alles.«
    »Und dann machte er plötzlich keine Witze mehr?«
    »Genau.«
    »Er hatte Angst.«
    »Ja …«
    »Hat er Ihnen erzählt, dass er Angst hatte?«
    »Nein.«
    »Vielleicht war es gar nicht so.«
    Kerim sah Winter an. »Wie meinen Sie das?«
    »Vielleicht haben Sie sich das nur eingebildet?«
    »Nein … dann würde ich es jetzt nicht sagen.«
    »Aber als er tot war, wollten Sie überhaupt nichts sagen.«
    Kerim zuckte wieder zusammen.
    »Sie haben auch Angst, Kerim.«
    »Nein.«
    »Sie haben vor derselben Sache Angst wie Hiwa.«
    »Nein. Wovor denn? Ich weiß ja nicht, was es war.«
    »Was ihn umgebracht hat.«
    Kerim schwieg.
    »Mir ist unbegreiflich, dass Sie uns nicht davon erzählt haben.« Winter beugte sich über den Tisch. »Mir.«
    Kerim antwortete nicht.
    »Vielleicht haben Sie es versucht«, sagte Winter.
    Kerim hatte den Bodensatz seiner leeren Tasse studiert. Jetzt schaute er

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