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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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auf.
    »Vielleicht haben Sie es versucht, aber wir haben es nicht begriffen.«
    »Ich … weiß nicht, was ich sagen soll.«
    Winter bemerkte, dass die Frau sie verstohlen beobachtete. Vielleicht waren sich ihre und Mozaffars Blicke begegnet.
    Hier hatten Mozaffar Kerim und Hiwa gesessen. Einer von den beiden war jetzt tot. Aber hier hatten sie gesessen. Für dieses Café hatten sie sich entschieden, hier hatten sie sich nicht bedroht gefühlt. Kerim hatte nicht ängstlich ausgesehen, als Winter zur Tür hereingekommen war. Auch jetzt wirkte er nicht ängstlich, eher erleichtert. Oder doch ängstlich? Vielleicht hatte er Angst, konnte es aber nicht zeigen. Wem zeigen? Der Frau. Sie hatte ihnen wieder den Rücken zugekehrt und schien etwas auf dem Platz zu beobachten. Dort draußen rührte sich nichts. Nirgendwo rührte sich etwas. Es war still. Totenstill.
    »Was hat Hiwa getan?«, fragte Winter.
    »Ich verstehe nicht.«
    »Hat er mit Rauschgift gehandelt? Lebensmittel verschoben? Diebstahl?«
    Kerim schüttelte den Kopf.
    »Er hat sich mit nichts von dem abgegeben, was Sie aufgezählt haben. Das glaub ich nicht. Das ist unmöglich.«
    »Wirklich nichts von dem?«
    »Wenn Sie etwas Strafbares meinen, dann weiß ich nichts davon.«
    Das war eine Antwort, die mehrere Bedeutungen haben konnte.
    »Hätte Hiwa sich mit irgendwas Strafbarem abgeben können?«, fragte Winter.
    »Wie gesagt, ich glaube es nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Er war … nicht so einer.«
    »Vielleicht hatte er keine andere Wahl.«
    Kerim antwortete nicht.
    »Vielleicht hat ihn jemand gezwungen.«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und deswegen könnte er Angst gehabt haben.«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich möchte, dass Sie mir helfen, seine anderen Freunde zu finden.«
    »Ich … ich kenne sie nicht.«
    »Das glaube ich Ihnen nicht.«
    »Es stimmt aber.«
    »Wie gut kannten Sie Jimmy und Said?«
    Kerim zuckte wieder zusammen. »Wen?«
    »Sie wissen, von wem ich rede.«
    »Es … kam so plötzlich.« Er fingerte an seiner Tasse. »Deswegen bin ich zusammengezuckt. Aber ich habe die beiden nicht gekannt.«
    »Genauso, wie Sie Hiwa zunächst auch nicht gekannt haben?«, fragte Winter.

16
    A ngst, er dachte über Angst nach. Angst ist international. Eine Handelsware, die immer lohnender wird. Angst als Erfolg. Erfolg aufgebaut auf Angst. Winter fuhr wieder in nördliche Richtung. Er fuhr mit heruntergelassenen Scheiben und nahm blaue und gelbe Düfte aus dem Grün wahr. Die uralten Gerüche. Angst. Sich an der Angst der Menschen vorbeischleichen. Sie packen. Sie von hinten angreifen oder von welcher Seite auch immer. Von vorn war es schwierig. Von vorn war die Angst offen. Häufig wartete sie auf einen Frontalangriff, das war die falsche Form, ihr zu begegnen. Ein Frontalangriff war voraussehbar. Das liegt daran, dass Angst nicht natürlich ist, dachte er, während er durch einen Kreisverkehr fuhr. Angst wird einem aufgezwungen. Angst kommt von außen. Sie geht von jemand anderem aus. Von wem? Angst gibt es überall. Sie ist universell. Sie gehört zur Globalisierung. Sie hielten halbautomatische Schrotflinten in den Händen, als sie töteten. Angst hielt die Waffen. Angst erschreckt. Vielleicht zu Tode. Sie kommt wieder. Angst baut auf Wiederholung. Sie kann jederzeit zurückkehren, nachts, morgens, im Sommer, im Herbst. Jetzt ist es Sommer, aber eigentlich hat der Sommer kaum begonnen. Die Angst vielleicht auch nicht. Morgen ist Mittsommerabend. Dann sind alle fröhlich.

    Der Hammarkulletorget lag grau im Vormittagslicht. Ein Mann mit einem Rollkoffer kam vorbei. Er nickte Winter wie einem Fremden zu. Winter nickte zurück.
    Nasrin Aziz wartete vor Marias Pizzeria und Café. Sie zündete sich eine Zigarette an, blies den Rauch in Richtung Zugang zur Straßenbahn und musste husten.
    »Das ist starker Tobak.« Winter zeigte auf die Zigarettenschachtel, die sie noch in der Hand hielt.
    »Das sagen ausgerechnet Sie.«
    »Wie bitte?«
    »Sie rauchen doch Zigarillos.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich hab’s vom Fenster aus gesehen. Als Sie von uns weggingen.«
    Nasrin nahm noch einen Zug und blies den Rauch aus, der wie ein Nebelstreifen durch die Luft davonglitt. Der Platz wirkte plötzlich herbstlich. Einige Leute hockten bei den Rolltreppen zur Straßenbahnhaltestelle. Eine Frau, die um die fünfzig sein mochte, ging herum und schien um Geld zu betteln. Sie sah schwedisch aus.
    »Weiß Ihre Mutter, dass Sie rauchen?«, fragte Winter.
    »Wollen Sie es

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