Roth, Philip
Wasser gefüllte Zinkwanne, in der die Familie sonst badete. Dort blieben die Fische, bis es an der Zeit war, ihnen Köpfe und Schwänze abzuschneiden, sie zu schuppen und zu kochen und Gefilte Fisch daraus zu bereiten. Eines Tages nun, als Mr. Cantors Mutter fünf Jahre alt war, kam sie vom Kindergarten nach Hause, sah die Fische, zog rasch ihre Kleider aus und stieg in die Wanne, um mit ihnen zu spielen. Seine Großmutter entdeckte sie, als sie aus dem Laden hinauf in die Wohnung ging, um dem Kind etwas zu essen zu machen. Seinem Großvater erzählten die beiden nichts, aus Angst, er könnte das Mädchen bestrafen. Selbst als die Großmutter dem kleinen Jungen die Geschichte erzählte - zu der Zeit war er selbst noch im Kindergarten -, ermahnte sie ihn, dem Großvater nichts davon zu sagen, um ihn nicht aufzuregen, denn in den ersten Jahren nach dem Tod seiner geliebten Tochter konnte er seine Trauer nur beherrschen, indem er nie von ihr sprach.
Es mochte seltsam sein, dass Mr. Cantor am Grab seiner Mutter an diese Geschichte dachte - aber welche unvergesslichen Erinnerungen hätte er sonst haben sollen?
Gegen Ende der nächsten Woche hatte Weequahic von allen Schulbezirken der Stadt die höchste Anzahl von Poliofällen. Der Sportplatz war geografisch davon eingekreist: Gleich gegenüber, in der Hobson Street, hatte es die zehnjährige Lillian Sussman getroffen, auf der anderen Seite, in der Bayview Avenue, die sechsjährige Barbara Friedman. Beide gehörten nicht zu den Mädchen, die auf dem Sportplatz seilsprangen - seit dem Ausbruch der Polio erschienen ohnehin nur noch weniger als die Hälfte von ihnen. Und in der Vassar Avenue waren die beiden Kopferman-Brüder Danny und Myron erkrankt. Mr. Cantor kannte sie nicht nur vom Sportplatz, wo er sie mehrmals hatte ermahnen müssen, Horace nicht zu quälen, sondern auch vom Sportunterricht in der Schule. Er rief die Kopfermans am Abend des Tages an, an dem er es erfahren hatte, und bekam Mrs. Kopferman an den Apparat.
Er erklärte ihr, wer er sei und warum er anrufe.
»Sie!«, rief Mrs. Kopferman. »Sie wagen es, hier anzurufen?«
»Entschuldigung?«, sagte Mr. Cantor. »Ich verstehe nicht.«
»Was verstehen Sie nicht? Sie verstehen nicht, dass man im Sommer seinen Kopf gebraucht, wenn die Kinder in der Hitze herumrennen? Dass man sie nicht aus öffentlichen Trinkbrunnen trinken lässt? Dass man auf sie achtgibt, wenn sie verschwitzt sind? Haben Sie die Augen gebraucht, die Gott Ihnen gegeben hat, und während der Polioepidemie auf die Kinder geachtet? Nein! Kein bisschen!«
»Mrs. Kopferman, ich versichere Ihnen, dass ich auf alle Jungen gut achtgebe.«
»Und warum habe ich dann zwei gelähmte Jungen? Zwei! Erklären Sie mir das! Sie lassen sie da oben herumrennen wie Tiere - und dann wundern Sie sich, wenn sie Kinderlähmung kriegen! Weil Sie nicht aufgepasst haben! Weil es gedankenlose Idioten wie Sie gibt!« Und damit legte sie auf.
Er hatte von der Küche aus angerufen, gleich nachdem er den Abendbrottisch abgeräumt hatte. Seine Großmutter hatte er nach unten geschickt, damit sie sich vor dem Haus ein wenig zu den Nachbarn setzte. Die Hitze des Tages hatte kaum nachgelassen, und drinnen war es schwül und stickig. Als er den Hörer auflegte, war er schweißgebadet, obwohl er vor dem Essen noch geduscht und sich umgezogen hatte. Er wollte, sein Großvater wäre noch am Leben, damit er mit ihm sprechen könnte! Er wusste, dass Mrs. Kopferman hysterisch und vom Schmerz überwältigt war, dass sie blindlings zuschlug und die Beschuldigungen nicht zutrafen. Dennoch hätte er gern den Großvater an seiner Seite gehabt, damit der ihm versicherte, er habe durch nichts von dem, was sie ihm vorgeworfen hatte, Schuld auf sich geladen. Es war seine erste unmittelbare Begegnung mit dem Klang des rasenden Hasses, der wüsten Anschuldigungen und der Verachtung, und es belastete ihn mehr als die Auseinandersetzung mit zehn bedrohlichen Italienern auf dem Sportplatz.
Es war sieben Uhr, und draußen war es noch hell, als er über die hölzerne Außentreppe hinunterging, um sich für einen Augenblick zu den Nachbarn zu setzen, bevor er einen Spaziergang machte. Seine Großmutter war ebenfalls dort und hatte zum Schutz gegen die Moskitos eine Zitronellenkerze angezündet. Man saß auf Klappsesseln und sprach über die Polioepidemie. Die Älteren, zu denen auch seine Großmutter gehörte, hatten noch die Epidemie von 1916 erlebt und beklagten, dass es seither
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