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Roth, Philip

Titel: Roth, Philip Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nemesis
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beendet und die Jungen in ihre Hütten zurückgekehrt waren, um sich vor dem Abendessen und dem anschließenden Film umzuziehen, blieb Bucky allein am Seeufer zurück, beglückt von diesen ersten Stunden, die er mit unbekümmerten, wunderbar quirligen Kindern verbracht hatte. Er war die ganze Zeit im Wasser gewesen, hatte die Betreuer kennengelernt und mit den Jungen an ihrer Schwimm- und Atemtechnik, ihren Startsprüngen und Rollwenden gearbeitet, und so hatte er keine Gelegenheit gehabt, auf den Turm zu steigen und zu springen. Doch den ganzen Nachmittag über hatte er daran gedacht, als wäre er erst dann wirklich hier angekommen, wenn er seinen ersten Sprung gemacht hatte.
    Er ging auf dem schmalen Steg zum Sprungturm, nahm die Brille ab und legte sie an den Fuß der Leiter. Dann kletterte er halb blind hinauf. Er fand den Weg zum Sprungbrett, doch sonst konnte er nicht viel erkennen. Die Hügel, der Wald, die weiße Insel, ja selbst der See waren verschwunden. Er stand allein auf dem Brett über dem See und konnte kaum etwas sehen. Die Luft war warm, sein Körper war warm, und er hörte nur das gelegentliche entfernte Klirren von Hufeisen, mit denen ein paar Jungen nach einem eisernen Pfahl warfen, und das Ploppen der Bälle auf dem Tennisplatz. Wenn er einatmete, war nichts von Secaucus, New Jersey, zu riechen. Er füllte seine Lungen mit der harmlosen frischen Luft der Poconos. Dann lief er die drei Schritte bis zum Ende des Bretts, hob ab und machte, jeden Zentimeter seines Körpers unter Kontrolle, einen perfekten Hechtsprung in das Wasser, das er erst im letzten Augenblick sah, bevor seine Arme die Oberfläche durchstießen und er in die kalte Reinheit des Sees eintauchte.
     
    Um Viertel vor sechs ging er mit den Jungen aus seiner Hütte zum Pavillon, als sich aus einer Gruppe von Mädchen und Betreuerinnen, die sich von der anderen Seite näherten, zwei lösten und seinen Namen riefen. Es waren die Steinberg-Zwillinge, die einander so ähnlich sahen, dass er selbst aus der Nähe noch immer Schwierigkeiten hatte, sie auseinanderzuhalten. »Sheila! Phyllis«, sagte er, als sie sich übermütig in seine Arme warfen. »Ihr seht großartig aus. Wie braun ihr geworden seid! Und schon wieder gewachsen! Jetzt seid ihr so groß wie ich.«
    »Größer!«, riefen sie und schmiegten sich an ihn. »Nein, sagt das nicht«, rief Bucky lachend. »Bitte nicht jetzt schon größer!«
    »Führst du uns Sprünge vom Sprungturm vor?«, fragte eine von ihnen. »Mich hat niemand darum gebeten«, sagte Bucky. »Wir bitten dich! Eine Vorführung für das ganze Camp. All diese Dreh- und Rückwärtssprünge, die du immer machst.« Die Mädchen hatten ihn zu Beginn des Sommers springen sehen, vor dem Ausbruch der Epidemie und dem Beginn der Ferien, als die Steinbergs ihn für ein Wochenende in ihr Sommerhaus in Deal eingeladen hatten und alle zusammen in den Schwimmclub am Strand gegangen waren, in dem die Steinbergs Mitglieder waren. Es war das erste Mal gewesen, dass er bei ihnen übernachtet hatte, und sobald er seine Nervosität überwunden hatte, die daher rührte, dass er nicht wusste, worüber sich jemand aus seinen Verhältnissen mit so gebildeten Leuten unterhalten sollte, hatte er festgestellt, dass Marcias Mutter und Vater nicht freundlicher und herzlicher hätten sein können. Er erinnerte sich, wie schön er es gefunden hatte, den Zwillingen am niedrigen Sprungbrett zu zeigen, wie man die Balance hielt und was man beim Absprung zu beachten hatte. Anfangs waren sie noch ein bisschen ängstlich, doch am Ende des Nachmittags machten sie fehlerlose Kopfsprünge und waren so begeistert von ihm, dass sie ihn ihrer Schwester bei jeder Gelegenheit streitig machten. Und auch er war von ihnen eingenommen, von diesen beiden Mädchen, die Dr. Steinberg liebevoll als seine »eineiigen Funkensprüher« bezeichnete.
    »Ihr habt mir gefehlt«, sagte er zu den Zwillingen. »Bleibst du für den Rest des Sommers?«, fragten sie. »Ja.«
    »Weil Mr. Schlanger zur Armee musste?«
    »Ja«, sagte er. »Das hat Marcia auch gesagt, aber zuerst haben wir ihr nicht geglaubt. Wir dachten, das hat sie geträumt.«
    »Wenn ich mich hier umsehe, denke ich, dass ich träume«, antwortete Bucky. »Wir sehen uns später«, fügte er hinzu, und die beiden küssten ihn, um ihre Kameradinnen zu beeindrucken, demonstrativ auf den Mund. Und als sie zum Eingang des Speisepavillons rannten, riefen sie ebenso demonstrativ: »Wir lieben dich, Bucky!«
    Beim

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