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Roth, Philip

Titel: Roth, Philip Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nemesis
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Essen saß er neben Donald Kaplow, dem Betreuer der Jungen in der Comanche-Hütte, einem Siebzehnjährigen, der sich für Leichtathletik begeisterte und bei Wettkämpfen für seine Highschool in Hazleton als Diskuswerfer antrat. Als Bucky ihm erzählte, er sei Speerwerfer, sagte Donald, er habe sein Sportzeug mitgebracht und übe, wann immer er Zeit habe, Diskuswerfen auf der großen Wiese hinter dem Mädchencamp, wo im August das große indianische Fest stattfinden werde. Er fragte Bucky, ob er vielleicht Lust habe, zuzusehen und ihm Tipps zu geben. »Ja, gern«, sagte Bucky.
    »Ich hab Ihnen heute nachmittag zugesehen«, sagte Donald.
    »Von der Veranda unserer Hütte kann man den Badeplatz sehen. Ich habe gesehen, wie Sie gesprungen sind. Nehmen Sie auch an Wettkämpfen teil?«
    »Ich kann die einfachen Standardsprünge, aber an Wettkämpfen nehme ich nicht teil, nein.«
    »Ich hab meine Sprünge nie richtig hingekriegt. Ich mache immer die lächerlichsten Fehler.«
    »Vielleicht kann ich dir helfen«, sagte Bucky.
    »Würden Sie das tun?«
    »Wenn wir Zeit haben, gern.«
    »Oh, gut! Danke.«
    »Wir gehen sie der Reihe nach durch. Wahrscheinlich musst du nur ein paar Fehler korrigieren - der Rest kommt dann von allein.«
    »Ich hoffe, ich stehle Ihnen nicht Ihre Freizeit«, sagte Donald.
    »Nein, wenn ich Zeit habe, gehört sie dir.«
    »Danke, Mr. Cantor.«
    Als Bucky sich zur Mädchenseite des Speisepavillons umdrehte, um zu sehen, ob er Marcia entdecken könnte, fing er den Blick von einer ihrer Schwestern auf, die ihm heftig zuwinkte. Er lächelte und winkte zurück, und dabei wurde ihm bewusst, dass er seinen Kopf in nicht einmal einem einzigen Tag von allen Gedanken an Polio gereinigt hatte - mit einer Ausnahme, vor einigen Minuten, als Donald ihn an Alan Michaels erinnert hatte. Donald war zwar fünf Jahre älter und bereits über eins achtzig groß: Es waren nette Jungen, schlank, mit breiten Schultern und langen, starken Beinen, und beide ließen sich gern von jemandem leiten, der ihnen helfen konnte, sich sportlich zu verbessern. Jungen wie Alan und Donald schienen instinktiv zu spüren, dass er ein hingebungsvoller Lehrer war, der ihnen die Bestätigung geben konnte, die sie brauchten, und fühlten sich schnell zu ihm hingezogen. Wäre Alan nicht gestorben, dann wäre er höchstwahrscheinlich zu einem Jungen wie Donald Kaplow herangewachsen. Wären Alan und Herbie Steinmark nicht gestorben, dann wäre Bucky höchstwahrscheinlich gar nicht hier gewesen, und zu Hause wäre nicht Unvorstellbares passiert.
     
    Er und Marcia fuhren mit dem Kanu über den See zur weißen Insel - er hatte noch nie gepaddelt, doch Marcia zeigte es ihm, und nach einigen Schlägen hatte er den Bogen raus. Schweigend glitten sie durch die Dunkelheit, und als sie die Insel erreichten, die viel größer war, als Bucky gedacht hatte, steuerten sie die Rückseite an, wo sie das Kanu an Land zogen und bei einer kleinen Baumgruppe ablegten. Sie hatten kaum ein Wort gesprochen, seit sie sich vor dem Pavillon an den Händen genommen hatten, zum Badeplatz der Mädchen geeilt waren und das Kanu zu Wasser gelassen hatten.
    Es waren kein Mond und keine Sterne zu sehen, kein Licht außer dem in den Hütten an der Hügelflanke. Zum Abendessen hatte es Roastbeef gegeben, und Donald Kaplow hatte mit dem gewaltigen Appetit eines Heranwachsenden eine Scheibe des saftigen roten Fleisches nach der anderen verschlungen. In der Gemeinschaftshalle wurde ein Film gezeigt, und daher war die Tonspur das einzige, was vom Camp herüberdrang. In der Nähe hörten sie ein Froschorchester, während aus weiter Ferne alle paar Minuten das langgezogene dumpfe Rumpeln eines Sommergewitters erklang. Dieses dramatische Donnern machte die Tatsache, dass sie beide ganz allein und mit nichts als Khakishorts und Polohemden bekleidet auf der bewaldeten Insel waren, nicht weniger aufregend, und ebensowenig dämpfte es den Reiz ihrer spärlichen Bekleidung. Sie standen mit nackten Armen und Beinen auf einer kleinen Lichtung, so dicht beieinander, dass er Marcia trotz der Dunkelheit deutlich sehen konnte. Sie war einige Abende zuvor allein mit dem Kanu hierher gefahren und hatte den Ort ihres Rendezvous vorbereitet, indem sie mit den Händen das Laub beiseitegeräumt hatte, das seit dem vergangenen Herbst dort lag.
    Ringsum standen dicht an dicht Bäume. Sie waren nicht ganz weiß, wie er gedacht hatte, sondern hatten schwarze horizontale Narben, als hätte man sie mit

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