Roth, Philip
Mischi-Mokwa«, sagte der Anführer der Jäger, »haben wir dich also gefunden. Wenn du nicht herauskommst, bevor ich bis Hundert gezählt habe, werde ich überall verkünden, du seist ein Feigling.«
Plötzlich stürzte sich der Bär auf die Jäger, die ihn unter den Jubelrufen der Jungen mit ihren Keulen aus mit Sackleinen umwickeltem Stroh zu Boden schlugen. Als er in dem Pelzmantel ausgestreckt auf der Erde lag, tanzten die Jäger um ihn herum, und einer nach dem anderen nahm seine leblose Tatze und rief: »Hum! Hum! Hum!« Der Jubel hielt an. Wie faszinierend, an Mord und Tod teilzuhaben!
Dann erschienen zwei Betreuer, der eine klein, der andere hochgewachsen, die sich als Kleine Feder und Große Feder vorstellten, und erzählten eine Reihe von indianischen Tiergeschichten, bei denen die kleineren Jungen entweder laut auflachten oder in gespieltem Entsetzen schrien. Nach den Geschichten setzte Mr. Blomback den Kopfschmuck ab und legte ihn zu dem Streitkolben und der Friedenspfeife. Unter seiner Anleitung sangen die Jungen, während das Feuer herunterbrannte, etwa zwanzig Minuten lang vertraute Camplieder, damit sie nach all der Aufregung des Indianerlebens wieder auf den Boden der Wirklichkeit zurückfanden. Schließlich sagte Mr. Blomback: »Und nun die wichtigsten Kriegsmeldungen der vergangenen Woche, die Nachrichten über das, was außerhalb von Indian Hill passiert ist: In Italien hat die britische Armee den Arno überschritten und Florenz eingenommen. Im Pazifik haben Kampftruppen der USA Guam besetzt, worauf der japanische Premierminister Tojo -«
»Buh! Buh, Tojo!«, riefen einige der älteren Jungen.
»- worauf der japanische Premierminister Tojo als Chef des japanischen Generalstabs abgelöst wurde. In England hat Premierminister Churchill -«
»Hurra! Churchill!«
»- gesagt, der Krieg gegen Deutschland könnte vielleicht früher zu Ende sein als angenommen. Und hier bei uns, in Chicago, Illinois, ist Präsident Roosevelt - wie die meisten von euch inzwischen sicher wissen - vom Parteitag der Demokratischen Partei für eine vierte Amtszeit nominiert worden.«
Hier rief etwa die Hälfte der Jungen »Hurra! Roosevelt!«, während einer wie wild die Trommel schlug und ein anderer seine Rassel schüttelte.
»Und jetzt«, sagte Mr. Blomback, als es wieder ruhig geworden war, »wollen wir an die amerikanischen Soldaten denken, die in Europa und im Pazifik kämpfen, und an alle unter euch, die, wie ich, Verwandte in der Armee haben, und darum wird das vorletzte Lied God Bless America sein. Wir widmen es all denen, die heute Nacht in fernen Ländern für unser Heimatland kämpfen.«
Sie standen auf und sangen God Bless America, und danach legten sie einander die Arme auf die Schultern. Während eine Reihe sich zur einen und die nächste Reihe sich zur anderen Seite wiegte, sangen sie Till We Meet Again, die Hymne auf die Kameradschaft, die jede Indianernacht zu einem ruhigen Ende brachte. Wenn es in der letzten Indianernacht des Sommers gesungen wurde, brachen viele der Jungen, die nun nach Hause zurückkehren würden, in Tränen aus.
Heute aber war Bucky der einzige, der bei den Klängen von God Bless America weinte, in Erinnerung an seinen lieben Collegefreund, an den er ständig denken musste, seit er erfahren hatte, dass er in Frankreich gefallen war. Er hatte sich während der Zeremonie bemüht, dem Geschehen rund um das Feuer zu folgen und Donald zuzuhören, der es leise kommentierte, aber eigentlich konnte er an nichts anderes denken als an Jakes Tod und Jakes Leben, an das, was Jake hätte sein und werden können. Während die Jungen den Großen Bären jagten, dachte Bucky an das Frühjahr 1941, an den Leichtathletikwettkampf der Colleges von New Jersey, wo Jake beim Kugelstoßen mit siebzehn Meter zwanzig nicht nur einen Rekord für das Panzer College, sondern einen neuen landesweiten Collegerekord aufgestellt hatte. Wie er das gemacht habe, wollte der Reporter vom Newark Star-Ledger wissen. Jake grinste breit, schwenkte seinen Pokal mit dem kleinen Athleten aus Bronze, der im Augenblick des Stoßes eingefroren war, in Buckys Richtung und sagte mit einem Augenzwinkern: »Ganz einfach - die linke Schulter ist oben, die rechte Schulter ist weiter oben, der rechte Ellbogen ist noch weiter oben, und die rechte Hand ist am höchsten. Wenn man das beachtet, ist alles andere ganz leicht.« Ganz leicht. Für Jake war alles ganz leicht. Er hätte sicher an den Olympischen Spielen teilgenommen, er
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