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Rotkäppchen und der böse Wolf

Rotkäppchen und der böse Wolf

Titel: Rotkäppchen und der böse Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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wird schon alles in Ordnung kommen. Die Frau ist einfach nicht richtig im Kopf.« Aber sie selbst glaubte kein Wort von dem, was sie sagte.
    Carl! Ob Carl etwas wusste? Hatte Carl etwas damit zu tun? Ein paar Minuten später verwarf sie diesen Gedanken. Carl war sichtlich ebenso entsetzt wie alle anderen, völlig überrascht, konnte das Vorgefallene nicht glauben.
    Kaum waren sie sich über das Geschehene klar, als Major Bletchley schon die Führung übernahm.
    »Also, meine Liebe«, sagte er zu Mrs Sprot, »nun setzen Sie sich erst einmal – so – trinken Sie ein Schlückchen Kognak – der wird Ihnen nichts schaden – und ich gehe jetzt sofort zur nächsten Polizeistation.«
    »Warten Sie noch einen Augenblick«, murmelte Mrs Sprot. »Vielleicht ist…« Sie lief die Treppen hinauf in ihr Zimmer. Kurz darauf kam sie wie von Sinnen wieder heruntergerast. Sie stürzte in den Salon und riss Major Bletchleys Hand vom Telefonhörer, den er gerade abheben wollte.
    »Nein, nein«, keuchte sie. »Nicht, um Gottes willen nicht…« Aufschluchzend fiel sie in einen Stuhl.
    Alle drängten sich um sie. Nach ein paar Augenblicken fasste sie sich etwas, richtete sich mit Mrs Cayleys Hilfe auf und streckte den Fragenden etwas entgegen.
    »Das fand ich auf dem Fußboden in meinem Zimmer. Es war um einen Stein gewickelt und durchs Fenster geworfen. Lesen Sie, um Gottes willen, lesen Sie nur!«
    Tommy nahm ihr den Zettel aus der Hand und entfaltete ihn. In einer steifen, offensichtlich ungeübten Handschrift stand da mit wild hingekritzelten Buchstaben geschrieben:
     
    »Das Kind ist bei uns in Sicherheit. Später werden Sie erfahren, was Sie zu tun haben. Wenn Sie die Polizei holen, werden wir das Kind töten. Unternehmen Sie nichts. Warten Sie Anweisu n gen ab. Sonst…«
     
    Als Unterschrift waren ein Totenschädel und zwei gekreuzte Knochen gezeichnet.
    Nun sprach alles durcheinander. »Dreckige Mörderbande«, schimpfte Mrs O’Rourke. »Schufte«, rief Sheila Perenna. »Fantastisch, fantastisch, aber glauben Sie ja kein Wort. Der übliche Trick«, meinte Mr Cayley. »Oh, das süße, kleine Geschöpf«, jammerte Miss Minton. »Ich kann es nicht verstehen, es ist einfach unglaublich«, sagte Carl von Deinim. Und über alle Stimmen erhob sich die Stentorstimme Major Bletchleys: »Verdammter Blödsinn! Einschüchterungsversuch! Natürlich muss man sofort die Polizei benachrichtigen. Die wird schon alles herausbekommen.«
    Er wollte wieder zum Hörer greifen. Aber mit einem Aufschrei fiel Mrs Sprot ihm in den Arm.
    Er brüllte: »Aber meine liebe Mrs Sprot, wir müssen die Polizei verständigen. Das Ganze ist doch ein primitiver Trick, damit wir den Schuften nicht auf die Spur kommen.«
    »Sie werden sie umbringen!«
    »Ach, Unsinn. Das wagen sie nicht.«
    »Und ich will nicht, hören Sie, ich will nicht! Ich bin ihre Mutter. Ich habe zu entscheiden.«
    »Gewiss, gewiss. Aber damit rechnen die gerade – die denken sich, dass Sie nun Angst haben. Ist ja auch nur natürlich. Aber glauben Sie mir, ich bin ein alter Soldat und habe allerlei erlebt – wir müssen die Polizei verständigen.«
    »Nein, nein!«
    Bletchley schaute Hilfe suchend um sich.
    »Meadowes, sind Sie nicht auch meiner Meinung?«
    Tommy nickte nur langsam.
    »Cayley? – Sehen Sie, Mrs Sprot, Meadowes und Cayley sind beide meiner Meinung.«
    »Männer!«, schrie Mrs Sprot plötzlich mit verzweifelter Energie. »Alle seid ihr Männer. Fragen Sie die Frauen!«
    Tommys Augen suchten Tuppence. Aber Tuppence sagte leise mit bebender Stimme: »Mrs Sprot hat Recht.«
    Sie dachte: Deborah! Derek! Mein Gott, wenn sie es wären! Ich könnte auch nicht anders handeln. Tommy und die anderen Männer haben sicher Recht; aber ich könnte es nicht. Ich würde es niemals wagen.
    Und selbst Mrs Cayley fand den Mut zu stammeln: »Ich denke, ja, wissen Sie, nein wirklich…« Der Rest war ein unverständliches Gemurmel.
    Jemand betrat die Halle. Mrs Perenna. Sie war hochrot im Gesicht; offenbar war sie den Hügel herauf gelaufen.
    »Was ist los?«, fragte sie. Ihre Stimme klang hart und befehlend. Das war nicht mehr die liebenswürdige Pensionsinhaberin, sondern eine Frau, die sich Respekt zu verschaffen wusste.
    Alle sprachen auf sie ein, es war ein zusammenhangloses Gerede, aber sie erfasste die Lage schnell. Und ohne dass sie ein Wort zu verlieren brauchte, empfanden alle plötzlich sie als oberste Instanz.
    Sie hielt den hastig gekritzelten Zettel einen Augenblick in der Hand

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