Rotkäppchens Rache
ursprüngliche Gestalt wiederzugeben.
Ihr Körper begann sich zu bewegen: Knochen verschoben sich knarrend, Muskeln dehnten sich und bildeten sich neu. Schnee blieb auf Händen und Knien und spannte den Körper an, bis das Schlimmste vorüber war. Wegen der Verwandlung und der Schmerzen, die ihr das Zaubern bereitete, fühlte sie sich, als ob -
»O nein!« Sie schaffte zwei Schritte, ehe sie sich übergeben musste. Als sie sich wieder bewegen konnte, richtete sie sich auf und lehnte sich Halt suchend an die Wand. Sie wischte sich den Mund am Ärmel ab.
»Du wirst immer besser«, flüsterte Danielle. »Das war nicht annähernd so schmerzhaft wie beim letzten Mal, als du diesen Zauber bei mir gewirkt hast.«
Schnee lächelte und schnallte den kleinen Wasserschlauch ab, den sie mitgebracht hatte. »Und was noch wichtiger ist: Ich habe herausgefunden, wie ich uns verwandeln kann, ohne dass wir unsere Sachen zurücklassen müssen!« Sie spülte und spuckte aus.
Silbernes Licht erfüllte das obere Ende der Treppe. Der Prinz guckte nach unten und entdeckte sie trotz der Dunkelheit.
Schnee nahm noch einen Schluck aus dem Schlauch, dann begann sie, ein Netz aus Magie darin zu weben. Ihre Augen tränten, als sie ihren Zauber wirkte. An den Schmerz hatte sie sich gewöhnt, aber das Erbrechen war neu. Wie viel mehr konnte sie sich noch strapazieren, ehe ihr Körper es nicht mehr tolerierte?
»Was machst du da?«
Mit einer Handbewegung hieß Schnee sie schweigen. Der Geist war auf halbem Wege die Treppe hinunter. Er trug eine schwere Rüstung, deren Stahlplatten ihn allerdings offensichtlich nicht vor der Hecke geschützt hatten. Schnee fragte sich, wie weit er wohl gekommen war, ehe die Dornen seine Rüstung durchbohrt hatten.
Er war jetzt so nah, dass sein Licht Schnee und Danielle beleuchtete. Danielle nahm ihr Schwert kampfbereit in die Hand, und der Prinz reagierte mit dem Heben seines Speers darauf.
»Schnee?«, flüsterte Danielle.
»Fast fertig!« Schnee zwang ihre Aufmerksamkeit auf den Wasserschlauch zurück. Mit zusammengebissenen Zähnen webte sie die letzten Fäden des Zaubers.
»Schnee!«
Schnee warf den Schlauch nach vorn. Der Prinz holte mit dem Speer aus, als wollte er ihn zur Seite schlagen, doch stattdessen verschwand der Speer aus seiner Hand.
Der Geist versuchte zurückzuweichen, aber eine Ranke aus Licht fesselte ihn ans Mundstück des Wasserschlauchs. Während das Wasser von der Haut des Prinzen tropfte, wurde er unerbittlich zum Schlauch hingezogen. Schnee stieg auf die Treppe, hob den Schlauch auf und füllte ihn mit ihrer eigenen Magie, bis der Geist schließlich hineingezogen wurde. Augenblicke später waren Schnee und Danielle allein in der Dunkelheit.
»Was hast du gemacht?«, fragte Danielle.
»Seelenkrug.« Schnee verschloss das Mundstück und band es zu. »Möchte jemand einen nassen Geist?« Sie legte den Wasserschlauch vorsichtig neben der Treppe auf den Boden. »Es wird nicht lange halten - ein paar Tage, wenn ich Glück habe. Für eine ordentliche Arbeit war keine Zeit.«
Sie wartete, aber dem ersten folgten keine weiteren Geister. Sie setzte sich auf die Treppe und rief Sonnenlicht aus ihren Spiegeln, welches eine ausgedehnte Kaverne mit gewölbter Decke beschien. Säulen erstreckten sich in endlosen Reihen und verschwanden in der Dunkelheit. Zur Mitte hin veränderte sich der Boden: Aus Erde wurde schwarzes Glas.
»Ist das Wasser?«, fragte Danielle. »Wo sind wir?«
Schnee schloss die Augen, dann öffnete sie sie wieder und zwang mit der Kraft ihres Willens die doppelten Bilder, die ihr vor Augen standen, wieder zu verschmelzen. »Dies ist der unterirdische Wasserspeicher. Irgendwo oben müsste es ein Loch geben, durch das sie das Wasser früher heraufgeholt haben.«
Der Boden fiel schräg ab wie in einer flachen Schale. Als sie am Wasser ankamen, reichte es am tiefsten Punkt nicht höher als bis zu Schnees Fußknöchel. Die Tatsache, dass nach hundert Jahren überhaupt noch Wasser da war, war beeindruckend. Schnee mutmaßte, dass sie magische Schutzmaßnahmen in die Säulen eingearbeitet finden würden, wenn sie danach suchten.
Stattdessen benutzte sie das Wasser, um sich das Gesicht zu waschen und die Haare zu befeuchten und anzuklatschen. »Es sind zu viele Geister.« Sie sah Danielle nicht an. »Ich bin nicht stark genug, um uns an allen vorbeizubringen, ganz zu schweigen von der Wilden Jagd.«
»Schon in Ordnung«, sagte Danielle. »Talia würde nicht wollen, dass
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