Rotkäppchens Rache
Hilfe ihres Spiegels besessen hatte.
Schnee hatte die Warnzeichen immer ignorieren können - sie wirkte Zauber fast so mühelos wie eine Elfe. Von Zeit zu Zeit gönnte sie sich vielleicht heimlich ein Extranickerchen und oft aß sie auch genug für zwei, um ihre Stärke wiederzugewinnen. Aber das war vor dem Unfall gewesen.
Das wirkliche Problem waren nicht die Schmerzen: Schmerzen konnten ignoriert werden, wenigstens eine Zeit lang. Die Gefahr war das, was auf die Schmerzen folgen konnte. Früher oder später würde sie den Bogen überspannen; wenn sie Glück hatte, wären die Auswirkungen dann Erschöpfung und Bewusstlosigkeit. Wenn nicht …
Sie schob solche Gedanken beiseite und kroch weiter. Zauberei war kein Spiel für diejenigen, die sich ein langes, friedvolles Leben erhofften.
Schnee schnupperte. Sie konnte das Ende des Rohrs nicht sehen, aber sie konnte Blumen auf der anderen Seite riechen. Sie bewegte sich langsamer. »Deev halten sich bevorzugt unter der Erde auf.«
»Was?«
Nichts konnte hier ohne Magie überleben; die Hecke hatte das Leben aus dem Land gesogen. Wieso sollte eine Deev magische Energie für Blumen verschwenden? Sie drehte den Kopf und blickte zurück zur Zisterne. Das ganze Ding war eine einzige große Höhle, und doch hatte sie keine Anzeichen für Bewohner gesehen. Der Sand auf den Stufen war unberührt gewesen. »Ich weiß nicht genau. Es fühlt sich nicht richtig an.«
Sie kroch weiter und löschte das Licht aus ihren Spiegeln, als sie sich dem Ende des Rohrs näherten. Es wurde von Metallstäben versperrt, aber das Rohr war so alt und brüchig, dass Danielle sie herausziehen konnte.
»Noch ein Geist.« Danielle reichte Schnee ihren eigenen Wasserschlauch.
Schnee tat ihr Bestes, um den Zauber zu wiederholen, den sie zuvor angewandt hatte. Es dauerte diesmal länger und sie drehte sich weg, damit Danielle ihre Schmerzen nicht registrierte. Nicht dass es geholfen hätte.
»Du musst dich ausruhen.«
»Klar«, Schnee wischte sich das Gesicht ab, »du meinst, Zestan ist damit einverstanden zu warten, bis wir ein Nickerchen gemacht haben, ehe sie Talia gegen Lakhim benutzt?« Sie stellte den Seelenkrug fertig und schob ihn Danielle wieder hin. »Wirf das nach dem Geist!«
Danielle tat wie geheißen und kroch dann ins Mondlicht hinaus. »Ich glaube, es hat funktioniert.«
Schnee folgte ihr und fand sich in einem weiten, kreisrunden Schwimmbecken wieder, das schon seit Langem ausgetrocknet war. Alte Fliesen hingen an den Seiten. Die Ränder des Beckens waren flach und breit, dazu gedacht, als Bänke benutzt zu werden. Schnee hob den tropfenden Wasserschlauch auf und band ihn zu.
»Es ist wunderschön hier!«, staunte Danielle.
»Ja.« Schnee runzelte die Stirn, als sie sich umblickte. »Und das ist schlecht.«
Kein Sterblicher hatte jemals einen Garten wie diesen sein Eigen genannt. Rosa belaubte Bäume säumten mäandernde Pfade aus grünem Moos. Lavendelfarbene Knospen hingen in Schnüre mit kleinen Glocken von den Zweigen. Tiefblaue Blumen wuchsen ihnen in Form lieblich duftender Stalagmiten entgegen. Dieser Ort ließ Rajils Garten wie einen Unkrautfleck neben der Straße aussehen.
Rings um sie erhoben sich, mehrere Stockwerke hoch, die Mauern des Gartens, deren Balkone von Blumen verhüllt wurden, die sie an Rosen mit Blüten von der Größe eines Männerkopfs erinnerten. Überwölbte Laufgänge, zwischen denen Kletterpflanzen ihre Netze gesponnen hatten, verbanden die Balkone miteinander.
Der Boden lag unter einer Decke aus Blütenblättern und herabgefallenem Laub. Blaugrünes Moos gab unter Schnees Füßen nach, als sie zwei Schritte ging, um ein Blatt aufzuheben. Sie rieb es zwischen den Fingern: Es hinterließ einen goldenen Rückstand auf ihrer Haut. »Das ergibt keinen Sinn.«
Sie wischte sich die Hand am Gewand ab, dann setzte sie sich an den Beckenrand und ergriff einen Spiegel. Ungeduldig wartete sie darauf, dass Trittibar antwortete.
Seine Stimme hörte sich dieses Mal an, als käme sie von so weit weg, wie es auch der Fall war. Er hielt sich in der königlichen Bibliothek auf; vor ihm auf dem Tisch waren mehrere Bücher ausgebreitet. »Theodore spricht gerade mit Lakhim. Ich weiß, dass du es eilig hast, aber du musst mir Zeit geben, damit -«
»Ich glaube, Zestan-e-Jheg ist eine Peri.«
Stille. Schnee beobachtete, wie Trittibar das Buch, in dem er gelesen hatte, zur Seite legte. Er näherte sich dem Spiegel, der hinter einem Wandleuchter in der Nähe der
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