Rotkäppchens Rache
kämpfen - nicht, wenn sie nicht will, dass ich sie durch den Ring fallen lasse.«
Roudette packte ihren Hammer fester. »Du lügst! Deine Macht ist nicht -«
»Ich frage mich, wo du rauskommen wirst«, fuhr Schnee fort. »Dreihundert Meilen über dem Ozean? Mitten in den eisigen Nordlanden? Vielleicht fällst du ja auch einfach nur ins Elfenreich und bleibst dort gefangen.«
Roudette schleuderte ihre Waffe ins Gras.
»Sehr schön!« Schnee wartete, bis Talia den Hammer an sich genommen hatte. »Und jetzt erzählst du mir, wo dieses Ding uns hinbringen sollte.«
»Arathea.« Es war Talia, die antwortete. »Charlotte sollte dir helfen, mich zu Königin Lakhim zu bringen. Lebendig, wenn möglich, damit sie persönlich mein Urteil vollstrecken könnte.«
Schnee schürzte die Lippen. »Das könnte ein Problem darstellen.«
»Inwiefern?«, fragte Danielle.
»Ich war noch nie in Arathea! Ich weiß nicht, wie dieser dämliche Ort aussieht!« Sie kroch auf Talia zu. Es war eindeutig, dass der Ring schrumpfte, und der Rauch wurde schlimmer. Schnee ergriff Talias Hand. »Gratuliere, du bist soeben zu meinem Lehrling geworden!«
Talia zog die Hand weg. »Wovon redest du?«
»Ein Hexenring ist ein Loch in unserer Welt. An einem Ende ist der Hexenring, durch den wir gefallen sind; auf der anderen Seite ist ein zweiter Ring. Sofern du nicht auf Lakhims Schwelle auftauchen willst, muss ich die Lage dieses zweiten Rings verändern, aber je mehr ich ihm zusetze, desto wahrscheinlicher zerstöre ich das ganze Ding.« Schnee tippte ihr Halsband an. »Schau in die Spiegel und denk an Arathea! Hilf mir, einen sicheren Ort zu finden, wo ich uns herausbringen kann. Schnell, falls es dir nichts ausmacht!«
»Du bist wahnsinnig!«
»Das können wir später ausdiskutieren«, meinte Schnee.
Talia biss sich auf die Lippen und starrte auf Schnees Halsband. Schnee schloss die Augen und sah mithilfe der Spiegel. Einen Moment lang sah sie nur Talia, deren Gesicht verschwitzt und voller Ungewissheit war. Dann verschwand Talias Bild, und statt seiner erblickte Schnee einen roten Schotterpfad, der zu einem abgedeckten Ziehbrunnen führte, einem kleinen Zimmer mit einer zerknitterten Schlafmatte und einer abgenutzten Decke, einem Kupfertopf voll dampfenden Reises und Fleischs.
Mit den Erinnerungen kamen Bruchstücke von Gefühlen. Angst, gemischt mit aufkeimender Hoffnung. Liebe und Bedauern. Kummer, so brennend, dass Tränen Schnees Sicht verschleierten.
»Ich hab’s«, flüsterte Schnee. Sie ergriff einen Spiegel an der Seite ihres Halsbands und verankerte die Erinnerungen in ihrem eigenen Verstand. Der Spiegel löste sich und glitt in ihre Hand. Sie griff nach Roudettes Hammer. Die Waffe war schwerer, als sie aussah. Der Kopf fühlte sich wie Eisen an - perfekt. Sie packte den Hammerkopf und tippte mit der Spitze auf den Spiegel in ihrer anderen Hand.
Das Glas zersplitterte zu Pulver. Schnee ließ den Hammer fallen und wölbte die Hand darüber, dann blies sie eine glitzernde Staubwolke in die Flammen. Das Glas verteilte sich und verschmolz mit dem Feuer.
»Wird das klappen?«, flüsterte Roudette.
Schnee zuckte die Schultern und rutschte zurück. Die Flammen wurden heller, als die Hitze ins Zentrum des Rings drückte.
Zwischen einem Atemzug und dem nächsten verschwand das Feuer. Der Rauch zog ab und enthüllte ein Kornfeld.
Talia und Roudette bewegten sich gleichzeitig. Roudettes Finger schlossen sich um das Heft ihres Hammers, doch bevor sie aufstehen konnte, versetzte Talia ihr einen Tritt an die Schläfe. Stöhnend wich Roudette zurück.
Talia schlug noch zweimal zu, sodass Roudette ihr Gleichgewicht nicht wiederfand. Als sie den Hammer hob, schlug Talia ihr mit voller Wucht auf die Finger und quetschte sie gegen das Heft ihrer eigenen Waffe. Der Hammer fiel zu Boden.
Danielle stieß ihr Schwert durch den Unterteil von Roudettes Umhang und nagelte sie dadurch lange genug fest, dass Talia einen weiteren Hieb gegen ihre Schläfe landen konnte. Roudette griff nach oben, um Talias Handgelenk zu packen, also rammte Talia ihr das Knie in die Magengrube.
Das war genug. Roudette krümmte sich und Talia drückte ihr ein Messer an die Kehle. Danielle riss ihr Schwert heraus und richtete es auf Roudette. Der ganze Kampf war vorbei, bevor Schnee sich auch nur entschließen konnte, welchen Zauberspruch sie loslassen sollte.
»Willst du es noch mal versuchen?« Talia trat den Hammer fort.
Roudette krümmte und streckte die Finger.
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